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Dankbar für mein Land
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Dankbar für mein Land

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Vom Sehen kenne ich ihn. Er sitzt in der Bahnhofshalle und sagt laut zu seiner Nachbarin: Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein. Als ich das höre, frage ich mich selber: Bin ich eigentlich stolz, ein Deutscher zu sein? Erst einmal fällt mir nichts ein. Nach ein bisschen Nachdenken sage ich aber zu mir: Nein, stolz bin ich nicht. Ich bin dankbar.

Nicht stolz

Ich kann gar nicht stolz sein. Ich habe ja nichts dazu beigetragen, ein Deutscher zu sein. Ich kam hier einfach zur Welt. Ich bin auch nicht stolz darauf, gesund zu sein oder gutes Einkommen zu haben. Auch dafür kann ich nichts. Ich kann nichts für mein Alter und kann nichts für das Wetter, das mich ärgert oder freut. Ich kann nicht stolz sein auf etwas, was mir ungefragt gegeben wird.

Aber dankbar 

Aber dankbar kann ich sein. Für ein Land, das ein gutes Grundgesetz hat, das mich beschützt. Für einen Staat, der allen Meinungsfreiheit gibt - manchmal bis an den Rand des Erträglichen. Ich bin dankbar dafür, keinen Krieg im Land zu haben. Und für die Bäume, Felder, Seen und Flüsse, die ich genieße.

Froh über Einheit, Frieden, Einsatz der Menschen

Als vor vielen Jahren die Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde, war mein Land ein Trümmerhaufen und in zwei Teile geteilt. Heute, 74 Jahre später, fahre ich von Ost nach West und von Nord nach Süd ohne Kontrolle, ohne Soldaten an den Straßen - und bin froh über alle Schulen, Krankenhäuser und Polizistinnen und Polizisten, die mich schützen, wenn’s drauf ankommt. Da ist kein Stolz aber viel Dankbarkeit.

Dankbar für Brot und Butter und das Land

Ein wenig kenne ich noch den Mangel, der herrschte, als ich zur Schule kam. Auf dem Bild sehen alle Kinder aus, als bräuchten sie mal wieder ein dickes Butterbrot. Heute gibt es zwanzig Brotsorten und viel Butter in bunten Päckchen - vielleicht von allem immer etwas zu viel. Aus Mangel ist Überfluss geworden. Das tut nicht nur gut. Trotzdem bin ich dankbar für Brot und Butter und alles, was mir mein Land schenkt. Selbst wenn ich manchmal kritisch bin - Gottes Segen für mein Land bleibt viel größer.

 

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