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Lesen!
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Lesen!

Dr. Annette Wiesheu
Ein Beitrag von Dr. Annette Wiesheu, Theologische Referentin des Bischofs von Mainz
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Vor kurzem hatte ich meine Fibel aus der ersten Klasse in der Hand, meine Mutter hat sie für mich aufgehoben. Ich habe das zerfledderte Buch durchgeblättert und mich daran erinnert, wie es war, als ich lesen gelernt habe. Vor allem weiß ich noch: Ich war so unglaublich stolz, als ich die ersten Worte lesen konnte, und ich habe begeistert alles entziffert, was mir vor die Augen kam: Beim Spazierengehen habe ich die Straßennamen vorgelesen, im Supermarkt die Aufschriften auf den Verpackungen. Und noch stolzer war ich, als ich erste kleine Geschichten aus meinen alten Bilderbüchern selber lesen konnte.

Es geht um große Gefühle

Das Lesen, so würde ich heute sagen, hat mir eine neue Welt eröffnet. Als ich schon etwas älter war, wurde eine Sammlung von klassischen griechischen Sagen eines meiner Lieblingsbücher, natürlich in einer vereinfachten Ausgabe für Kinder und Jugendliche. Ich habe diese Geschichten aus einer fernen Vergangenheit bestimmt nicht alle verstanden, aber trotzdem geradezu verschlungen: die Erzählungen von den Kämpfen um die Stadt Troja und den Schicksalen der tragischen Helden, die glücklichen und vor allem unglücklichen Liebesgeschichten, die vielen phantastischen Abenteuer, die Odysseus und andere Helden bestehen mussten. Heute frage ich mich: Was hat mich eigentlich an diesen Sagen so fasziniert? Sicherlich, die Geschichten sind unglaublich spannend erzählt, und ihr Reiz liegt wohl gerade darin, dass sie in eine ganz andere, phantastische Welt entführen. Aber ich glaube, es geht auch noch um etwas anderes. In den Geschichten begegnen mir Menschen und das Menschliche: Es geht um große Gefühle wie Liebe und Eifersucht, es geht um Mut und Feigheit, um Sieg und um Niederlage, um Freundschaft und Verrat, um Sehnsucht, Erfüllung und Verlust. 

Meine Welt wird größer

Bis heute macht das für mich die Freude an der Literatur aus: In Geschichten setze ich mich mit Menschen auseinander, in meinem Kopf entstehen Bilder von ihnen, ich tauche ein in ihre Welt und trete mit ihnen in Beziehung. Ich frage mich, warum sie so sind, wie sie sind, und warum sie so handeln, wie sie handeln. Mit manchen teile ich Erfahrungen, ich finde bei ihnen etwas wieder, was ich von mir selbst kenne. Und manche bleiben mir fremd. Immer habe ich beim Lesen das Gefühl: ich lerne etwas, über das Leben, über die Menschen und vielleicht auch über mich selbst. Meine Welt wird größer, wenn ich ein Buch lese.

Lesungen an ungewöhnlichen Orten

Um das Lesen geht es auch am Sonntag beim „Tag für die Literatur“ in Hessen. Bibliotheken, Museen, Literaturhäuser, Buchhandlungen und Verlage machen mit über 120 Veranstaltungen Lust auf Literatur: mit Ausstellungen über spannende Literatinnen, in Begegnungen mit Autorinnen und Autoren, mit Lesungen an ungewöhnlichen Orten und vielem mehr.

Der „Tag für die Literatur“ lädt ein zum Entdecken von Literatur in und aus Hessen. Er ist eine Einladung zum Lesen, zur Beschäftigung mit Büchern und vor allem: zum Gespräch über Literatur. Denn ich bin überzeugt: Noch größer werden die Welten, die das Lesen eröffnet, wenn ich mit anderen über sie ins Gespräch komme und meine Leidenschaft für Bücher mit ihnen teile.

Linktipp: "Tag für die Literatur" / Programm und Aktionen

 

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