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Wem hilft die Hilfe?
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Wem hilft die Hilfe?

Stephan Krebs
Ein Beitrag von Stephan Krebs, Evangelischer Pfarrer, Langen
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Glauben Sie an das Gute im Menschen? Wenn nicht, dann humpeln Sie mal eine Weile mit Krücken herum. Dann lernen Sie das Gute im Menschen kennen. Ich konnte mich nach einer Operation am Fuß drei Monate lang nur mit Krücken fortbewegen. Das war mühsam und kostete viel Kraft. Aber es war auch interessant zu erleben, wie Menschen um mich herum darauf reagiert haben.

Um es vorweg zu sagen: Sehr hilfsbereit. Manche sogar allzu sehr. Oft bekam ich mehr Hilfe angeboten, als ich gebraucht habe oder wollte. Das hat mich nachdenklich gemacht.

"Ich bin jetzt hilfsbedürftig."

Auf Krücken kann man sich zwar fortbewegen. Viel mehr aber nicht. Selbst einfache Abläufe werden unmöglich: Zum Beispiel eine Tasse Tee aus der Küche ins Wohnzimmer tragen. Oder schwere Türen öffnen. Weite Strecken zurücklegen. Oder schnell sein. Es fiel mir nicht leicht, aber ich musste es akzeptieren: „Ich bin jetzt hilfsbedürftig.“

Hilfe auch von fremden Menschen

Das Schöne ist: Man bekommt diese Hilfe – auch von ganz fremden Menschen. Sie halten einem die Tür auf, Autofahrer warten geduldig, bis man über die Straße gehumpelt ist. Menschen bieten einem nahezu überall Hilfe an. Viele fragen teilnahmsvoll, wie es einem geht. Ich hatte den Eindruck: Der Reflex zum Helfen gehört fest zu ihrer Persönlichkeit. Großartig, die sprichwörtliche Menschlichkeit. Sie ist wohl universell, also in jedem Menschen zumindest angelegt.

Der hilfsbedürftige Mitmensch sollte der Ausgangspunkt des Handels sein

Manche waren dabei allerdings übereifrig. Sie wollten drauflos helfen, ohne zu fragen, was ich wirklich brauchte und ob ihre Hilfe mir gerade gelegen kommt. Darum fügt der christliche Glauben der Menschlichkeit noch etwas hinzu – die drei Buchstaben M I T, Mitmenschlichkeit. Dieser Zusatz ist zwar klein, hat es aber in sich. Er verstärkt den Sinn des Helfens. Es geht nicht um diejenigen, die helfen wollen, sondern um die Person, die Hilfe benötigt. Der hilfsbedürftige Mitmensch wird zum Ausgangspunkt des Handelns.

Jesus fragt nach

Jesus hat das vorgemacht. Davon berichtet eine biblische Geschichte. In der kommt Jesus an einem Blinden vorbei. Der Blinde ruft laut nach ihm. Alle Anwesenden können sehen: Der Mann ist blind, sitzt am Straßenrand und schreit. Was er von Jesus will, ist offensichtlich. Dennoch hilft Jesus nicht darauf los, sondern fragt erst einmal: „Was willst du, dass ich dir tun soll?“ Der Blinde antwortet: „Herr, dass ich sehen kann.“ Erst jetzt tut Jesus etwas. (Lukas 18,35f)

Mitmenschlichkeit: denen helfen, die Hilfe brauchen

Das sehe ich als Angelpunkt einer christlich geprägten Mitmenschlichkeit: denen helfen, die Hilfe brauchen. Und zwar mit dem, was sie wirklich brauchen – und nicht mit dem, was man sich selbst als Hilfe ausdenkt. Mit übertriebener Hilfe tut man etwas für sich selbst, macht die Hilfsbedürftigen aber kleiner, als sie sind. Tut man das, was sie sich wünschen und brauchen, nimmt man sie als Mitmenschen ernst.

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