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Erquicken
Pixabay/Manuel Darío Fuentes Hernández

Erquicken

Stephan Krebs
Ein Beitrag von Stephan Krebs, Evangelischer Pfarrer, Langen
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Über dem Eingang von Kirchen findet man oft den Satz: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.“ (Matthäus 11,28) Diese Einladung stammt von Jesus, dem Menschenfreund und Gottessohn. Ich kann mir gut vorstellen, wie er dabei irgendwo auf einem Platz steht. Um ihn herum wuseln viele Menschen. Sie sind mit sich selbst beschäftigt, in Eile, im Stress, in Sorge. Jesus fühlt mit ihnen und will sie aufmuntern. Also breitet er die Arme aus und sagt eben diesen Satz: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.“

Der christliche Blick auf das Leben ist reell und ungeschönt

Klingt schön. Löst in mir dennoch Widerstand aus. Irgendwie typisch christlich, denke ich. Nicht wirklich fröhlich. Passend zum Kreuz, das als christliches Symbol ja auch für Leid und Tod steht. Aber: Ist das nicht gerade verdienstvoll? Der christliche Blick auf das Leben ist eben reell, ungeschönt. Also lasse ich den Satz etwas näher an mich heran. Bin ich damit wirklich gemeint? Nein, die Mühseligen und Beladenen – das sind die anderen. Aber warum sorge ich mich dann so viel um die Zukunft, die Natur, die Hungernden, die Kinder, die Ukraine und den Frieden? Es stimmt schon: Mir tut es gut, wenn jemand auf mich persönlich zukommt und sagt: „Hier bist du richtig und deine Sorgen auch.“

"Bei mir könnt ihr chillen, abhängen."

Doch was bedeutet dieses altertümliche Wort: „Ich will euch erquicken“? Jesus hat Aramäisch gesprochen. Der Evangelist Matthäus hat die Worte von Jesus in Griechisch aufgeschrieben und Martin Luther hat sie vor 500 Jahren ins Deutsche übertragen. Er wählte damals das Wort Erquicken. Ist das heute noch passend? Eine neue Bibelübersetzung versucht es so: „Bei mir werdet ihr Ruhe finden.“[1] Das ist korrekt übersetzt. Man könnte es sogar noch jünger ausdrücken: „Bei mir könnt ihr chillen, abhängen.“

Erquicken - ein altes Wort, das gut tut

Aber in dem Wort von Jesus steckt noch mehr drin: sich erneuern, etwas abstreifen. Bei diesen Worten spüre ich etwas. Deshalb hänge ich an dem alten Begriff Erquicken. Er erinnert mich an eine lange Wanderung im heißen Sommer. Längst ist mein Mund ausgetrocknet - und ich habe Durst. Endlich komme ich an eine Quelle. Ich schöpfe eine Handvoll Wasser und trinke. Was für eine Erfrischung!

Erquicken – das klingt nach Glücksgefühl. Es steigt aus der eigenen Tiefe langsam auf, breitet sich überall aus und verwandelt den ganzen Körper in ein einziges Lächeln.

Sich an das Leben erinnern, wie Gotte es wohl erdacht hat

Erquicken heißt für mich: sich an das Leben erinnern, wie Gott es wohl einmal erdacht hat. Sorgenfrei. Unbeschwert. Kraftvoll. Das wiederzuentdecken, beginnt vielleicht damit: mir ehrlich eingestehen, dass ich mühselig und beladen bin. Jesus spricht das ganz ungeschminkt aus und breitet damit die Arme aus für alle, die sich nach Erquickung sehnen.


[1] Basisbibel

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