Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Anselm von Canterburys Entschleunigung
Bild: pixabay

Anselm von Canterburys Entschleunigung

Judith Vonderau
Ein Beitrag von Judith Vonderau, Katholische Autorin bei "kirche im hr", Bad Orb
Beitrag anhören:

Die Sehnsucht nach Entschleunigung ist für viele Menschen ein großes Bedürfnis geworden. Tipps, wie ein entschleunigter Alltag gelingen kann, gibt es aus der Vergangenheit, genauer gesagt aus dem 12. Jahrhundert. Denn in dieser Zeit lebte Anselm von Canterbury, der sich mit diesem Thema beschäftigt hat. Heute gedenkt die katholische Kirche diesem Theologen und Kirchenlehrer.

Entschleunigung gabs schon im Mittelalter!!!

Anselm von Canterbury forderte seine Mitmenschen dazu auf, mal langsam zu machen und einen Gang runterzuschalten – zu entschleunigen eben. Ehrlich gesagt stelle ich mir das Leben zu seiner Zeit im Mittelalter nicht besonders schnell und hektisch vor. Eher im Gegenteil: Es gab keine Autos, um schnell irgendwohin zu kommen, keine ICEs, die schnell noch erreicht werden mussten, keine Smartphones, die ständige Aufmerksamkeit erforderten und nicht mal Tiefkühlgemüse, das nach dem Einkaufen möglichst schnell im Gefrierfach untergebracht werden musste. Nachrichten waren nicht hochaktuell im Liveticker zu finden, sondern sprachen sich nach und nach herum. Und die Menschen bewegten sich maximal mit der Geschwindigkeit eines Pferdes von einem Ort zum anderen.

Aus heutiger Sicht war das Leben zurzeit von Anselm von Canterbury deutlich gemächlicher, beschaulicher und geradezu lähmend langsam. Und ausgerechnet in dieser Zeit ruft der Theologe und Kirchenlehrer zur Entschleunigung auf. Wie passt das zusammen?

Mach mal Pause! Und suche dabei Gott

Er sagt dazu nämlich: "Widmen Sie für einen Moment Ihrer Zeit Gott und ruhen Sie sich einen Moment in Ihm aus." Anselm von Canterbury merkt, dass Ruhe notwendig ist; dass es wichtig ist, ab und zu innezuhalten und auszuruhen. Interessant ist sein Vorschlag zur Gestaltung dieser Ruhepause. Denn für ihn ist Gott der Ort, an dem es guttut, Pause zu machen. Gott Zeit zu widmen ist für Anselm von Canterbury gleichbedeutend mit Entschleunigung.

Vermutlich spricht Anselm von Canterbury aus seiner eigenen Lebenserfahrung heraus und möchte seine gewonnene Erkenntnis – seinen Schatz – an andere Menschen weitergeben. Wenn ich auf meinen Alltag schaue, dann kann ich mich fragen, wem oder was ich meine Zeit widme. Alle 24 Stunden jedes Tages nutze ich für die unterschiedlichsten Tätigkeiten und Menschen: Arbeit, Hobbies, Familie, Haushalt, Ehrenamt und und und … Mein Tag und mein Leben widme ich vielem. Bei allem Tun brauche ich Zeiten und Orte zum Ausruhen, zum Pause machen, zum Entschleunigen. Für Anselm von Canterbury sind diese Zeiten und Orte bei Gott. Die Pause bei Gott und mit Gott schenkt ihm die nötige Energie, um gestärkt weiter durch den Tag zu gehen.

Wann und wo sind Ihre Momente der Ruhe? Wo und bei wem ruhen Sie aus?

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren