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Auf Flugreise mit einem mittelalterlichen Mönch
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Auf Flugreise mit einem mittelalterlichen Mönch

Judith Vonderau
Ein Beitrag von Judith Vonderau, Katholische Autorin bei "kirche im hr", Bad Orb
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Jede meiner bisherigen Flugreisen hat mit einer Lehrstunde begonnen. Dabei ging es um meine Sicherheit. Ich habe erfahren, wie ich eine Rettungsweste richtig anziehe, wo die Notausgänge im Flugzeug sind und dass ich die Sauerstoffmaske immer zuerst aufsetze, bevor ich Kindern dabei helfe, deren Sauerstoffmaske aufzusetzen.

Bei jeder Sicherheitsbelehrung war es genau diese letzte Anweisung zu den Sauerstoffmasken, die mich irritiert hat. Denn mein erster Impuls war, in einer solchen Situation erst den Kindern zu helfen. Schließlich sind sie ja auf meine Hilfe angewiesen und müssen bestens geschützt werden.

Den eigenen Sauerstofftank muss man immer wieder auffüllen

Ein Mönch, der im 12. Jahrhundert gelebt hat, hat mir klar gemacht, warum es beim Aufsetzen der Sauerstoffmasken erstmal um mich geht, und erst danach um andere. Dieser Mönch heißt Bernhard von Clairvaux und gehörte zum Orden der Zisterzienser. Ganz sicher ist er nie mit einem Flugzeug geflogen und hatte keine Ahnung von Sauerstoffmasken. Und doch kannte er sich gut damit aus, was es heißt, für sich selbst und für andere zu sorgen.

Er sagt nämlich: "Wenn also alle Menschen ein Recht auf dich haben, dann sei auch du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat." Mit anderen Worten heißt das: Du bist wichtig, sorge für dich. Pass gut auf dich auf und geh gut mit dir um.

Bernhard von Clairvaux fällt auf, dass einige seiner Mitmenschen oft und viel für andere da sind: Sie helfen ihnen, unterstützen, wo sie nur können – und kommen dabei selbst völlig zu kurz. Sicher ist es gut und wichtig, für andere Menschen da zu sein, und das bestreitet Bernhard von Clairvaux auch gar nicht. Die Selbstlosigkeit darf nur nicht überhandnehmen. Und das kann passieren, wenn ich nur noch für andere da bin, es allen recht machen möchte und dabei gar nicht mehr an mich selbst und mein Wohlergehen denke.

Sei gut zu Dir, um gut zu anderen zu sein

Bernhard von Clairvaux misst dem Für-mich-selbst-da-sein sogar einen höheren Stellenwert bei als dem Für-andere-da-sein. Erst wenn es mir selbst gut geht und mein innerer Akku aufgeladen ist, habe ich genug Energie, um davon auch anderen abzugeben. Er sagt: Gut zu mir zu sein, ist meine wichtigste Aufgabe.

Bernhard von Clairvaux hat sich nie im Flugzeug eine Sicherheitsbelehrung über Sauerstoffmasken angehört. Und doch könnte der Inhalt dieser Belehrung von ihm stammen. Vor allem, wenn es gar nicht mehr um die Flugreise selbst, sondern um alles andere in unserem Leben geht: Erst wenn ich gut mit Sauerstoff versorgt bin, – wenn ich das habe, was ich zum Leben brauche, – kann ich damit anfangen, anderen beim Aufsetzen ihrer Sauerstoffmaske zu helfen.

Was hilft Ihnen in Ihrem Alltag dabei, mit ausreichend Sauerstoff versorgt zu sein?

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