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Die Wolke der Zeugen
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Die Wolke der Zeugen

Sabine Müller-Langsdorf
Ein Beitrag von Sabine Müller-Langsdorf, Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt
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In der Bibel gibt es einen Brief an eine christliche Gemeinde, in der viele geflüchtete Menschen lebten. Sie hatten Schlimmes erlebt. Ihr Land wurde überfallen, alles zerstört, sie wurden vertrieben.

Nun leben sie in einem fremden Land. Dort haben sie sich einer christlichen Gemeinde angeschlossen, weil sie selber Christen sind. Aber die Sprache, die Lieder und Gebete, alles wirkt fremd in der Fremde. So fühlt sich die Gruppe der Geflüchteten allein und außen vor. Auch Gott-verlassen.

Trost-Brief

Da bekommen sie einen Brief geschickt. Der Schreiber weiß offenbar: Wer Haus, Familie und Heimat verloren hat, der kann an Gott und der Welt verzweifeln. So malt er in seinem Brief den geschundenen Menschen eine "Wolke der Zeugen" vor Augen.

In der Wolke werden Menschen vergegenwärtigt, die durch Leid gingen und standhaft geblieben sind . Die erlebt haben: Gewalt und Ohnmacht haben nicht das letzte Wort. Die "Wolke der Zeugen" soll die verzagten Menschen umhüllen und stärkend umgeben.

Die Stärke anderer Menschen kann Kraft geben

Mir gefällt die Idee der "Wolke der Zeugen". Ich denke dabei an ukrainische Menschen, die mir viel Schlimmes vom Krieg und ihrer Flucht erzählt haben. Ich habe dann auch gefragt: Wo habt ihr Gutes erlebt? Was hat euch getragen?

Und meist war die Antwort Ja, da gab es gute Menschen. Zum Beispiel den Arzt, der nach seiner Schicht ein Neugeborenes und seine Mutter noch aus der bombardierten Stadt fuhr, weil er halt ein Auto hat. Oder der Sohn, der seine alte Mutter bis über die Grenze brachte, auch wenn er gerade aus dem Krieg kommt.

Es tut gut, in schweren Zeiten Menschen aufzurufen und zu erinnern, die feste geblieben sind in der eigenen Überzeugung. Auch im Glauben an Gott und seine Gerechtigkeit. Dafür steht die Wolke der Zeugen.

Amnesty International und Internationaler Strafgerichtshof

Mir fallen auch noch andere ein, die ich in die Wolke packen würde. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International klagt Folter an und setzt sich für deren Opfer ein. Der Internationale Strafgerichtshof in den Haag steht dafür, dass Kriegsverbrecher für ihre Taten zu Gericht gezogen werden.

All das sind für mich Zeugen der Gerechtigkeit mitten in tiefster Unrechtserfahrung. Diese Zeugen stehen für einen Glauben weit über das Sichtbare hinaus.

Nicht allein mit meiner Sehnsucht nach einer besseren Welt

Ich verzweifle manchmal an den Zuständen in der Welt, gehe dann ins Gericht mit Gott oder fühle mich schwach und allein in meiner Sehnsucht nach einer guten Welt. Da tut mir das Bild einer Wolke der Zeugen gut.

Sie stehen mir bei, wenn ich verzagt bin und erinnern mich daran, dass "der Glaube eine feste Zuversicht auf das ist, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht." (Hebräer 11,1)

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