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Nicht den Kopf gewaschen bekommen, sondern die Füße
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Nicht den Kopf gewaschen bekommen, sondern die Füße

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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Ab und zu habe ich in meinem Leben ordentlich den Kopf gewaschen bekommen. Damit meine ich, dass mir jemand klar und deutlich seine Meinung gesagt hat. Angenehm ist das nicht, im Gegenteil. Zuerst musste ich meist schlucken, aber oft hat es mir geholfen, ein klares Wort zu hören, vor allem dann, wenn daran auch etwas gestimmt hat. Das ist dann tatsächlich so, wie wenn mein ganzer Kopf und alles darin einmal durchgewaschen wird, ein Intensivspülgang für meine Gedanken und Gefühle. Danach muss ich erstmal alles zum Trocknen an die frische Luft hängen, aber dann kommt auch wieder ein neuer Duft und eine neue Klarheit in meine Gedanken.

Mitten in seinem letzten Mahl steht er auf

Heute wird in den christlichen Kirchen der Gründonnerstag begangen, und in der biblischen Lesung am Gründonnerstag wäscht Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern nicht den Kopf, sondern die Füße. Mitten bei seinem letzten Mahl steht Jesus auf. Er legt das feierliche Gewand ab, zieht sich eine Schürze an und beginnt, den Menschen, die da zusammen sind, der Reihe nach die Füße zu waschen. Und das trägt Jesus ihnen auch auf: Wie er es getan hat, sollten auch sie einander die Füße waschen.

„Ich denke sowieso mit dem Knie“

Die Füße sind für das Leben nicht weniger wichtig als der Kopf. Der deutsche Künstler Joseph Beuys hat einmal gesagt: „Ich denke sowieso mit dem Knie.“ Damit hat er wohl gemeint, dass Denken nicht nur über den Kopf funktioniert: Das Knie denkt mit, die Hände, die Ellenbogen usw. Wenn Jesus den Jüngerinnen und Jüngern die Füße wäscht, wollte er ihr Denken und Fühlen vom Kopf auf die Füße stellen, denn die Füße sind besonders wichtig. Sie legen die Wege zurück, die Menschen gehen, und sie lenken die Menschen an das Ziel, zu dem sie unterwegs sind.

Ihre Gedanken im Kopf loswerden

Das Mahl, das Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat, fand in der Zeit des Pessachfestes statt. In diesem Jahr hat das Fest für Jüdinnen und Juden mit dem Seder-Mahl am Pessachabend gestern begonnen, am 5. April. Beim Pessachfest werden Jesus und die Seinen wie alle jüdischen Häuser daran gedacht haben, dass Israel aus Ägypten aufgebrochen ist, um aus der Sklaverei in die Freiheit zu ziehen. Die Füße der Israeliten mussten dabei einen langen Weg durchhalten, durch die Wüste bis in das Gelobte Land. Dafür mussten sie die Gedanken im Kopf loswerden, die sie immer noch gefangen hielten, aber ebenso mussten ihre Füße sie zuverlässig und ausdauernd in Richtung Freiheit lenken.

"Ihr sollt frei euren Weg gehen"

Jesus hat mit seinem Mahl an diesen Auszug aus Ägypten und an den Weg in die Freiheit angeknüpft. Für diesen brauchten sie ausdauernde Füße. Jesus sagt ihnen: „Ich nenne euch nicht mehr Sklaven, (…). Vielmehr habe ich euch Freunde genannt.“ (Joh 15,14f) Die Freundinnen und Freunde Jesu, das ist sein Auftrag am Gründonnerstag, sollen frei ihren Weg gehen. Und zugleich sollen sie einander die Füße waschen und sich stärken auf dem Weg in eine freiere und gerechtere Welt.

 

 

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