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"In Gedanken bin ich bei dir"
GettyImages/Riccardo Lennart Niels Mayer

"In Gedanken bin ich bei dir"

Claudia Biester
Ein Beitrag von Claudia Biester, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg
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„In Gedanken bin ich bei dir, wir sind miteinander verbunden.“ Ich höre diesen Satz oft, wenn bei mir etwas Wichtiges ansteht, und ich habe ihn auch schon selbst gesagt. Was hat es mit dieser Gedankenverbindung auf sich?, überlege ich.

Ohne Eltern bei der Oma

Ich denke dabei an ein Erlebnis. Als ich ein Kind war, vielleicht sechs Jahre alt, sind meine Eltern für ein paar Wochen im Ausland gewesen. Meine kleineren Geschwister und ich sollten bei meiner Oma bleiben. Sie war eine tolle Großmutter. Ich fand es schön, wenn sie bei uns war oder wir bei ihr. Eigentlich. Diesmal war ich skeptisch. Ich war aufgeregt, als meine Eltern für ihre Reise den Koffer packten. Ich merkte, dass wir bald alleine sein würden, Papa und Mama weit, weit weg.

Die Blicke treffen sich im Himmel

Am Tag vor ihrer Abreise haben wir etwas ausgemacht. Jeden Abend, um halb acht, bevor wir schlafen, gehen wir nochmal auf den Balkon und gucken in den Himmel.  Meine Eltern würden das ebenfalls tun, dort wo sie gerade sind. Oben im Himmel würden sich unsere Blicke treffen. Danach gehen wir ins Bett. Oma liest uns eine Gute-Nacht-Geschichte vor. Wir würden beten und Gott bitten, dass er auf uns alle aufpasst. Und dann einfach schlafen. Am nächsten Morgen um halb sieben, wenn wir aufstehen, machen wir das auch – wir schauen in den Himmel und unsere Eltern zur gleichen Zeit am anderen Ort ebenfalls.

Es ist eine Kindheitsgeschichte. Als Erwachsene kann man vielleicht darüber lächeln.  Aber das Erlebte hatte damals Realität. Mich hat diese Verabredung getröstet und zuversichtlich gemacht. Ich hatte Vertrauen, dass das klappt. Ich fühlte mich wirklich von meinen Eltern gesehen und von Gott behütet.

Beim Beten verbindet man sich mit den Menschen, für die man betet, und mit Gott

Mein Kindheitserlebnis ist für mich heute auch eine Geschichte vom Beten. Im Gebet verbinde ich mich ebenfalls über Entfernung hinweg mit den Menschen, für die ich bete, und mit Gott.  „Ich denke an dich, ich bete für dich.“ Ich bin überzeugt. Das wirkt. Es stärkt, wenn ich weiß: An einem anderen Ort schließt mich jemand in sein oder ihr Gebet ein. Für jemanden zu beten, gehört zu den sehr besonderen Sachen, die Menschen einander schenken können.

Es steckt darin das Vertrauen: Die Verbindung ist da. Die Verbindung mit den anderen und die Verbindung mit Gott. Um es mit meinem Kindheitserlebnis zu sagen: Unsere Blicke treffen sich im Himmel.

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