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Wie hat Jesus ausgesehen?
Bild: amurca_pixabay

Wie hat Jesus ausgesehen?

Dr. Susanne Nordhofen
Ein Beitrag von Dr. Susanne Nordhofen, Ehemalige Leiterin eines katholischen Gymnasiums in Königstein/Taunus
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Der Leipziger Maler Michael Triegel hatte 2017 einen besonderen Auftrag bekommen. Er sollte für eine Würzburger Kirche einen auferstandenen Christus malen. Triegel lehnte das zunächst ab, weil er das Motiv eher kitschig fand. Schließlich hat er den Auftrag aber doch angenommen, und nun hängt sein „Barmherziger Christus“ in der Kirche St. Peter und Paul.

Ein moderner Christus

Christus geht in diesem Bild segnend durch einen Türrahmen direkt auf die Betrachtenden zu. Vor einem tiefschwarzen Hintergrund leuchtet sein weißes Gewand, das so realistisch gegeben ist, dass man das Material direkt anfassen möchte. Die Gestalt wirft auch einen Schatten. Es ist ein schöner Christus geworden, fast so, wie man ihn aus frommen Andachtsbildchen kennt. Aber eben nur fast. Triegel wollte auf alle Fälle zwei Reaktionen ausschließen: Zum einen, dass man in dem Gesicht des Auferstandenen ein menschliches Modell wiedererkennt. Zum anderen wollte er verhindern, dass jemand sagt: Nun weiß ich endlich, wie Christus ausgesehen hat. Triegel war es wichtig, dass die Gläubigen das Bild nicht mit der Person verwechseln. Und womöglich das Bild mehr verehren als das, wofür es steht.

Jesus leuchtet

Deswegen hat Michael Triegel die Fläche des Gesichtes mit Blattgold hinterlegt. Darauf hat er mit feinen deckenden Pinselstrichen das Gesicht gemalt. Als ich direkt vor dem Bild gestanden habe, konnte ich das gemalte Gesicht zwar einigermaßen erkennen, aber wenn ich den Standort gewechselt habe, war es nur schemenhaft zu sehen. Je nach der Tageszeit und je nachdem, wie das Licht einfällt, überstrahlt das Blattgold die Malerei, so dass das Gesicht zu leuchten scheint. Manchmal wirkt es greifbarer; manchmal bleibt es hingegen dunkel und diffus. Es erscheint buchstäblich immer in neuem Licht und immer wieder anders.

Ein Nähern, das nicht endet

Das Vexierspiel hat seinen tieferen Sinn: Niemals werden Gläubige, wenn sie das Bild betrachtet haben, sagen können, wie Jesus aussieht. „Es bleibt ein Prozess des Näherns, der nie endet“, hat Michael Triegel selbst dazu gesagt. Schönheit und Rätselhaftigkeit kommen in dieser Bildauffassung zusammen. Triegel zieht damit die Spur eines berühmten Philosophen, Nikolaus von Kues (Cusanus) nach. Der hat es einmal so formuliert: „Ich weiß, dass alles, was ich weiß, nicht Gott ist, und dass alles, was ich erfasse, ihm nicht ähnlich ist, sondern dass er vielmehr alles übersteigt.“

Mich hat das Bild bewegt

Triegels schönes Christusbild überwältigt einen nicht, sondern vermittelt die unterschiedlichsten Eindrücke. Einmal ist es nah, einmal weicht es zurück. Zwischen dem dunklen Hintergrund und dem goldenen Spiegel ist vieles möglich. Mich hat das Bild bewegt. Ich hatte den Eindruck: Wie auch immer Christus aussehen mag - irgendwann kommt er auf mich persönlich zu. Und dann werde ich ihn hoffentlich erkennen.

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