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Segnen will gelernt sein
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Segnen will gelernt sein

Dr. Susanne Nordhofen
Ein Beitrag von Dr. Susanne Nordhofen, Ehemalige Leiterin eines katholischen Gymnasiums in Königstein/Taunus
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In meinem Bekanntenkreis gibt es einen Schauspieler, der angehende Geistliche, Pfarrer und Pastorinnen trainiert. Er vermittelt ihnen in praktischen Übungen, wie sie ihre Körpersprache im Gottesdienst authentisch und angemessen einsetzen können. Keine fahrigen Bewegungen, keine Übersprungshandlungen, kein Herumzupfen an der Kleidung, kein unruhiges Hin- und Herwuseln im Altarraum.

Die Kunst des Segnens - mit dem ganzen Körper

Sein besonderes Augenmerk gilt der Einübung der Segensgeste, wenn am Schluss eines Gottesdienstes das Kreuzzeichen in die Luft gezeichnet wird. Das ist tatsächlich eine anspruchsvolle Aufgabe, bei der viel schief gehen kann. Der Schauspieler erzählt von Typen, die sich breitbeinig hinstellen und die Luft mit beiden Armen zerschneiden, introvertiertere Personen halten die Arme eng am Körper und deuten das Kreuzzeichen mit den Händen schüchtern an, wieder andere schütteln es lässig aus dem Ärmel. Einige strecken die Hände gerade ausgestreckt in die Höhe, andere benutzen nur zwei oder drei Finger. Der Schauspieler hat mir erklärt, wie wichtig es auch im Gottesdienst ist, wie jemand segnet und wie verständlich gesprochen wird. Alle Gläubigen sollen sich auch wirklich persönlich angesprochen fühlen.

Segnen ist mehr als Glück wünschen

Es besteht ein Unterschied zwischen einem Glückwunsch und einem Segen. Wenn ich jemandem zum Geburtstag oder zu einem bestandenen Examen gratuliere, ist das eine ganz persönliche individuelle Angelegenheit. Von Mensch zu Mensch sozusagen. Im Alltag wünscht man manchmal: „Komm gut an“ oder „alles Gute“ oder „halt die Ohren steif“. Das ist ein freundlicher Wunsch, der Mut macht. Selber kann man die Sicherheit einer Ankunft, das glückliche Leben oder das Durchhalten in einer schwierigen Lebensphase nicht immer bewerkstelligen. Beim Segen kommt noch das Gefühl hinzu: Da gibt es eine höhere Instanz, der man sich anvertrauen kann. Das scheint viele Menschen zu berühren. Vielleicht haben deswegen Silvester zur Jahrtausendwende 1999/2000 viele Menschen am Frankfurter Dom Schlange gestanden, um sich segnen zu lassen. Und das bis weit nach Mitternacht.

Segnen zeigt Gottvertrauen

Segnen bringt Gottvertrauen zum Ausdruck, denn der Name des biblischen Gottes ist etwas Einzigartiges: Ich bin der ich bin da. Wer den Segen Gottes erbittet, tritt daher als individuelle Person hinter ihm zurück und macht das im Auftreten deutlich. Wenn jemand für andere den Segen im Gottesdienst erbittet, sind Gesten und Haltungen natürlich wichtig.

Alle können Gottes Segen weiterschenken

Aber das Segnen ist nicht auf geistliche Berufe beschränkt. Jeder und jede kann den Segen Gottes weiter schenken. Mütter und Väter können zum Beispiel ihre Kinder segnen. Als meine Tochter nach dem Abitur für ein paar Monate nach Indien ging, habe ich sie mit dem Kreuzzeichen bezeichnet. Das war ein besonderer Moment, denn beim Segnen hatte ich das Gefühl, als würde ihr dadurch die schützende Begleitung Gottes zugesprochen. Und für uns beide war es tröstlich, sich auf diese Weise zu verabschieden.

 

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