Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Wozu beten?
Bild: fietzfotos_pixabay

Wozu beten?

Dr. Susanne Nordhofen
Ein Beitrag von Dr. Susanne Nordhofen, Ehemalige Leiterin eines katholischen Gymnasiums in Königstein/Taunus
Beitrag anhören:

In der antiken Welt brachten Menschen ihren Göttern regelmäßig Tieropfer, manchmal auch Menschenopfer dar. Weihegaben und Gebete sollten die Götter gnädig stimmen, damit sie im Gegenzug Glück, Fruchtbarkeit oder Sieg gewährten. Die Grundidee war ein Tauschgeschäft: Wohlergehen gegen Opfergaben. Allerdings konnten die Menschen nie ganz sicher sein, ob sich die Götter an dieses Tauschgeschäft halten und es ihnen im Anschluss an Gaben und Gebete auch wirklich gut gehen würde.

Beten in der Antike: ein Tauschgeschäft?

Goethe lässt in einem berühmten Gedicht die antike Sagengestalt des Halbgotts Prometheus auftreten. Viele griechische Mythen erzählen davon, wie Prometheus der Menschheit das Feuer und die Zivilisation geschenkt hat. Deswegen befand er sich in einem ständigen Konkurrenzkampf mit dem obersten Göttervater Zeus. Prometheus unterliegt Zeus in der Sage aber und wird grausam bestraft. Im Goethegedicht lehnt Prometheus sich gegen die unsinnige Opfer - und Gebetspraxis der Menschen auf: In Wirklichkeit interessierten sich die Götter gar nicht für das Wohlergehen der Menschen. Vielmehr seien sie selbst darauf angewiesen, um ihr Machtsystem zu erhalten. Wer das einmal kapiert hätte, müsste das unsichere Geschäftsmodell eigentlich aufgeben. Er dreht den Spieß also um und schleudert diese Anklage heraus:

„Ihr nähret kümmerlich von Opfersteuern und Gebetshauch eure Majestät
Und darbtet, wären nicht Kinder und Bettler hoffnungsvolle Toren…“

Wer Beten braucht - und wozu

Ich hatte diese Gedichtzeilen noch ich im Kopf, als mich dieser Satz eines Gesprächspartners aufhorchen ließ: „Gott braucht unser Gebet nicht, aber wir brauchen es.“ Eine fulminante Absage an das kaufmännische Modell von Geben und Nehmen! Warum sollte ich also das Beten brauchen? Was bringt mir das?

Eine Form der Psychohygiene

Man könnte sagen: Beten ist eine Form der Psychohygiene, Es hilft mir, Spannungen abzubauen oder trübe Gedanken loszuwerden. Not lehrt beten, sagte man früher. Das muss gar nicht falsch sein. Vielleicht ist es aber ja noch mehr.

Beten als Gespräch

Wenn ich bete, spreche ich zu einem Gegenüber, auch wenn ich es mit menschlichen Möglichkeiten nicht direkt erfassen kann. In diesem inneren Gespräch löse ich mich von dem Trubel des Alltäglichen und Schicksalhaften und gehe dazu auf Abstand. Ich kann Gott meine Gedanken ungeschützt darlegen, vielleicht abends vor dem Schlafengehen. Daran versuche ich jedenfalls zu denken, auch wenn es nicht immer klappt. Denn da bekommt der Tag eine Struktur und einen Abschluss. Für mich ist keine Selbstreflexion intensiver und intimer als das persönliche Gebet. Und niemand kann es an meiner Stelle übernehmen. Darin bin ich unersetzlich. Das stärkt meine Einzigartigkeit - auch die vor Gott - und macht mich frei.

Beten verändert

Der Theologe Karl Rahner hat über das Beten gesagt hat: „Glücklich schon der, der im Alltag von Zeit zu Zeit immer wieder betet. Er wird gewiss selbst nicht ganz alltäglich.“

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren