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Kirschblüten
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Kirschblüten

Ein Beitrag von Mirjam Jekel, Evangelische Theologin, Rüsselsheim
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In Japan beginnt in diesen Tagen die schönste Zeit im Jahr: Die Kirschblüte. Im Wetterbericht kann man verfolgen, wann die Bäume voraussichtlich ihre Knospen öffnen werden. Es beginnt im Süden des Landes, im warmen Kyushu, und breitet sich dann immer weiter nach Norden aus, bis endlich auch in Tokyo die Bäume in voller Pracht erblühen.

Japan - ein Land verrückt nach Kirschblüten

Und was für eine Pracht! Die Blüten sind so zahlreich, dass die Zierkirschbäume wie rosa und weiße Wolken aussehen. Überall in den Parks und öffentlichen Gärten werden die Ecken ausgeschildert, an denen Kirschbäume stehen. Unter ihnen sitzen Menschen auf Plastikplanen. Kollegen verbringen ihre Mittagspause unter den Bäumen, Freunde machen ein Picknick, Kinder spielen mit den heruntergefallenen Blütenblättern… es scheint, als wäre das ganze Land verrückt nach den Kirschblüten.

Die Kirschblüte als Symbol für Schönheit und Vergänglichkeit

Die Kirschblüte wird schon seit Jahrhunderten besungen, gemalt und in Gedichten gepriesen. Nicht nur, weil die Blüten so wunderschön sind – sondern auch, weil sie vergänglich sind. Ein Regen, ein Nachtfrost reicht aus, und sie sind zerstört. Und selbst, wenn das Wetter hält, so ist die Pracht innerhalb kurzer Zeit vorbei. Aber gerade das macht sie so besonders. Die Kirschblüte wird so zum Symbol für die Schönheit der Vergänglichkeit.

"Das Leben ist flüchtig, ein Haschen nach Wind"

Etwas zu feiern, obwohl es flüchtig ist und zerbrechlich – das erinnert mich an eine meiner Lieblingsstellen der Bibel, im Buch Kohelet, auch Prediger genannt. Dort stellt Kohelet fest: Das Leben ist flüchtig, ein Haschen nach Wind. Egal wie sehr wir uns anstrengen, um etwas Dauerhaftes zu erreichen – Ruhm, Wohlstand, sogar Familie und Freunde – es wird alles vergehen. Am Ende werden wir alle sterben. Das könnte traurig klingen. Wenn nichts von Dauer ist, ist dann nicht auch alles egal?

Das Leben feiern - trotz der Vergänglichkeit

Aber Kohelet zieht einen anderen Schluss. Wenn sowieso alles vergänglich ist – dann lasst uns den Moment genießen, essen und trinken und fröhlich sein. Dann können wir uns an der flüchtigen Schönheit erfreuen, die wir um uns herum entdecken. Ob das die Pracht der Kirschbäume ist, ein Park voller Narzissen oder ein besonders farbenfroher Sonnenuntergang.

Ja, Vergänglichkeit ist auch traurig, kann einem sogar Angst machen. Aber ich will heute, an diesem schönen Frühlingstag, einfach das Leben genießen, das um mich herum blüht, und dankbar sein. Denn, wie Kohelet sagt: Es ist gut und fein, wenn ein Mensch isst und trinkt und fröhlich ist bei allem, was er tut; das ist eine Gottesgabe (vgl. Koh 5,17-19).

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