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Heimat: Wir bleiben verbunden
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Heimat: Wir bleiben verbunden

Ein Beitrag von Dr. Christine Lungershausen, Evangelische Pfarrerin, Eschborn
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„Heimat. Das ist das Land, wo ich Kind war.“ So erzählt mir eine ältere Dame aus Tschetschenien. Als Pfarrerin begegne ich in Trauergesprächen, überhaupt in der Seelsorge häufiger als früher Menschen, die ihre Heimat verloren haben.

Heimat - das Wort nicht wegnehmenlassen von nationalistischen Anklängen

Ich stolpere dabei über mein eigenes gebrochenes Verhältnis zum Wort „Heimat“. Heimat steckt auch in Begriffen wie angeblichen Heimatschützern, die definieren, wer wo zu Hause ist, wer in welches Land gehört und wessen Hautfarbe dazu passt. Doch ich will mir das Wort nicht wegnehmen lassen von solch nationalistischen Anklängen.  

"Heimat ist darin, dass wir miteinander verbunden sind"

Mir hilft weiter, was die Frau mir erzählt: „Das Land meiner Kindheit gibt es nicht mehr. Damals lebten noch mein Vater, mein kleiner Bruder, meine Oma. Und es gab ganz viel Schnee und Eis. Aber die Wärme, die war zwischen uns. Diese Wärme ist meine eigentliche Heimat. Die ist in mir. Heimat ist darin, dass wir miteinander verbunden sind.“ Sie sieht mich an und sagt auch noch: „Und mit Gott, natürlich, sind wir auch verbunden. Sie verstehen schon. Dadurch kann mir niemand diese Heimat nehmen.“

Heimat ohne Grundbesitzanspruch

Tiefer Schmerz schlägt mir entgegen. Und eine innere Stärke. Ihre Heimat kann von keinem Eroberer besetzt werden. Mich berührt diese Unabhängigkeit. Sie kommt aus ohne den Grundbesitzanspruch, den ich sonst auch im Wort Heimat höre.

Gottes Zusage an das Volk Israel

Das erinnert mich an eine der großen Erzählungen im Alten Testament. Das Volk Israel war fremd in Ägypten. Es wurde unterdrückt und ausgebeutet. Die Israeliten brachen unter Führung von Mose auf. Sie stellten unterwegs fest: Heimat haben wir darin, dass wir zu Gott gehören und zueinander. Das erkennen sie durch die Zusage Gottes. Gott hatte zu Mose gesprochen: „Ich werde mit Dir sein, wohin Du auch gehst“.

Der Kern von Gottes Zusage ist immer geblieben: „Ich werde mit Dir sein, wohin Du auch gehst.“ Eine solche Verbundenheit mit Gott macht es möglich, an verschiedensten Orten heimisch zu werden, wenn es auch keinesfalls leicht ist.

Heimat heißt: verbunden sein mit Menschen, mit Landschaften, mit Natur

Ich überlege, was das für mich heißt: Heimat entsteht dadurch, dass ich mich verbunden fühle mit Menschen, mit Gott, einer Landschaft und auch mit Menschen, die mir derzeit noch fremd sind. Verbunden sein kann ich auch mit der Natur um mich herum, mit dem großen Walnussbaum im Garten oder der Buche im Wald. Auch da gibt es bleibende Verbundenheit.

Ich höre weiter zu, was mir die Dame aus Tschetschenien erzählt. Aus dem, was sie über ihre Heimatgefühle sagt, höre ich keinen Besitzanspruch. Über ihren Worten schwebt eine andere Frage: Mit wem bleibe ich verbunden, mit wem werde ich verbunden sein?

"Heimat ist für mich, wo es ein Wir gibt"

Mit dem einen verbindet mich die Sprache, mit einem anderen die Liebe zum Schweigen, mit dem Eichhörnchen der Glaube, dass wir für die kommenden Generationen Bäume pflanzen müssen, und sei es durch Vergesslichkeit. Für mich hängt Heimat mehr an meiner Verbundenheit als an einem Stück Land. Heimat ist für mich, wo es ein Wir gibt. Wir bleiben miteinander verbunden.

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