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Ein trauriger Jahrestag
Bild: HalasSwiatel_pixabay

Ein trauriger Jahrestag

Andrea Maschke
Ein Beitrag von Andrea Maschke, Katholische Pastoralreferentin in Bad Homburg / Friedrichsdorf
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Wir kommen nicht darum herum, uns zu erinnern: Vor genau einem Jahr begann die russische Invasion in der Ukraine und damit der „Ukraine- Krieg“.

Tausende Tote - bei Soldaten und Zivilbevölkerung

Die Welt um uns herum hat sich verändert seitdem. Kein Tag ohne Nachrichten und Bilder aus dem Kriegsgebiet. Die Regierungen halten sich bedeckt, wenn es um die Zahl der getöteten Soldaten geht. Aber wir wissen von Tausenden Toten in der Zivilbevölkerung und noch viel mehr Verwundeten.

Wie viel Angst und Hass, wie viel Leid und Druck weltweit

Unbekannt dagegen ist die Zahl der Menschen, die weltweit gestorben sind, weil die notwendigen erwarteten Getreidelieferungen ausblieben sind oder die Energiezufuhr unterbrochen war. Über eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine sind alleine nach Deutschland gekommen, nicht alle sind hier geblieben. Wie viele auseinander gerissene oder entzweite Familien, wie viel Angst und Hass, und wie viel Leid und Druck nicht nur in der Ukraine und Russland! Die Welt ist ungleicher und ungerechter geworden in diesem Jahr.

Die Hoffnung auf ein zutiefst menschliches Wunder: Frieden

Als Mitglied der katholischen Friedensbewegung Pax Christi schlagen gerade zwei Seelen in meiner Brust: Natürlich verstehe ich die Position der Ukraine, die ihr Land mit allen Mitteln gegen Russland verteidigen will, andererseits bin ich misstrauisch gegenüber immer mehr Waffenlieferungen und hoffe noch immer auf diplomatische Verhandlungen, auf zivilgesellschaftliches Engagement … man könnte auch sagen, auf ein zutiefst menschliches Wunder.

Der herrschende König fürchtet um seine Macht

Apropos Wunder: vor wenigen Wochen bin ich bei einer Gottesdienstvorbereitung auf eine Geschichte aus der Bibel gestoßen, aus dem Alten Testament, die ich lange nicht mehr gelesen hatte: Es geht um David, den späteren König David. Erstmal war der nur ein Hirtenjunge, der im Krieg durch einen gezielten Steinwurf mit seiner Schleuder einen gefürchteten mächtigen Krieger und Anführer, Goliath, getroffen und getötet hat. Er wird als Held gefeiert -  und der herrschende König, Saul, fürchtet um die eigene Macht. Er will David umbringen. Darum sammelt er ein großes Heer von Kriegern um sich, um David aufzuspüren. Der bekommt das mit und flieht mit ein paar Männern in die Berge. Und der Zufall will es, dass König Saul auf Toilette muss und genau vor der Höhle stoppt, in deren tiefen Innern sich David mit seinen Leuten versteckt hielt. Es wäre für David ein Leichtes gewesen, den wehrlosen Saul umzubringen, seine Männer fordern ihn auch dazu auf. Doch David schleicht sich nur an Saul heran und schneidet ein kleines Stück von Sauls Mantel ab.

Ich wollte dir Böses und du hast mir Gutes getan

Als Saul wieder aus der Höhle kommt, tritt auch David heraus und zeigt den Mantelzipfel: Er hätte Saul so leicht töten können, aber er hat ihn verschont. Saul ist beschämt: „Ich wollte dir Böses und du hast mir Gutes getan. Du bist gerechter als ich.“, sagt er. Und damit war zwar noch nicht alles geklärt, aber doch die Gefahr erstmal gebannt und das Leben der beiden gerettet. (vgl. 1 Samuel 24) In der Logik des Krieges hätte David den Saul umgebracht, dessen Soldaten natürlich den David und immer so weiter…. 

Anders handeln als es der Kriegslogik entspricht und neue Wege öffnen

Nein, ich weiß, diese biblische Geschichte lässt sich nicht 1:1 auf einen heutigen Krieg übertragen - aber vielleicht ja die Idee Davids, anders zu handeln, als es von ihm erwartet wird. In der Friedensforschung nennt man das eine „paradoxe Intervention“: Wenn eine Seite anders handelt als es der Kriegslogik entspricht, und damit die Situation verändert, vielleicht Spannung raus nimmt. Sicher ist das ein Wagnis, aber manchmal öffnen sich neue Wege – und das hat ganz sicher nichts mit Schwäche zu tun, nein, es braucht Mut dazu.

Ich hoffe so sehr, dass im nächsten Jahr der 24. Februar wieder ein ganz normaler Tag sein wird, ein friedlicher Samstag.

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