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Wann bin ich erwachsen?
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Wann bin ich erwachsen?

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
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Heute ist ein großer Tag für meine Nichte: Sie feiert ihren 18. Geburtstag und freut sich, dass sie nun erwachsen ist. Aber ist sie das wirklich? Ja, klar, formal hat sie ab heute alle Rechten und Pflichten einer erwachsenen Bürgerin unseres Landes. 

Geistig und emotional wie ein Erwachsener

Ich glaube aber: Zum Erwachsensein gehört mehr als das Erreichen eines bestimmten Alters. Und mit dieser Einschätzung bin ich nicht alleine. Im deutschen Strafrecht ist geregelt: Auch Personen über 18 Jahre können nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden. Dazu werden Gutachten erstellt, ob die Person tatsächlich geistig und emotional die Reife eines Erwachsenen hat.

Erreichen manche Menschen jemals dieses Stadium?

Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht sicher, ob manche Menschen das Stadium des Erwachsenseins jemals erreichen!

Aber vielleicht muss das auch gar nicht sein. Vielleicht ist es ganz gut, auch im hohen Alter ein bisschen Kind zu sein. In der Bibel stellt Jesus ein Kind als Vorbild vor sein Publikum. Er sagt: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich hineinkommen. Wer sich so klein macht wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte.“ (Matthäus 18,3)

Offen und ohne Vorurteil Menschen begegnen

Ich erinnere mich noch gut, wie es war, als unsere Tochter klein war: Mit einem charmanten Lächeln ist sie auf alle Menschen zugegangen, und mit entwaffnender Ehrlichkeit hat sie Dinge beim Namen genannt. Und sie konnte wunderbar staunen über alles Mögliche in der Natur oder im Alltag.

Diese kindliche Haltung möchte ich gerne auch in meinem erwachsenen Leben umsetzen: Ich möchte Menschen offen und ohne Vorurteil begegnen, und ich möchte die Neugier und das Staunen nicht verlernen.

Es geht um die kleinen Dinge im Alltag

In einem Kalender habe ich den Spruch gelesen: „Aufgrund meiner Lebenseinstellung bin ich nicht bereit, mich meinem Alter entsprechend zu verhalten!“ – Genau so, denke ich. Ich möchte mich manchmal nicht verhalten wie fast 50. Ich möchte auf der Mauer balancieren, und ich möchte sagen, wenn ich etwas nicht mag, anstatt es höflich zu loben.

Vielleicht geht es beim Erwachsenwerden genau da drum: Zu wissen, was sich gehört, aber sich gelegentlich auch anders zu verhalten. Ich meine jetzt nicht grobe Pflichtverletzungen oder gar Straftaten. Nein, es geht für mich mehr um die kleinen Dinge im Alltag: Ich trinke zum Trost einen warmen Kakao oder ich springe aus reiner Albernheit in eine Pfütze. Das tut meiner Seele gut.

"Charmant und gelegentlich albern"

Dann kann ich mich, wenn es darauf ankommt, auch erwachsen verhalten. Ich übernehme Verantwortung, wo es nötig ist, und ich halte das kindische Verhalten meines Kollegen aus.

Ich wünsche meiner Nichte und allen jungen Menschen: Vergesst beim Erwachsenwerden nicht, Kind zu bleiben. Lernt das Leben kennen und vergesst dabei nicht zu staunen. Übernehmt Verantwortung und bleibt charmant und seid gelegentlich albern.

Nah dran am Himmel

Vielleicht wollte Jesus ja genau darauf aufmerksam machen: Wenn ihr wie Kinder davon überzeugt seid, dass es schon klappt und letztendlich gut geht, dann seid ihr nah dran am Himmel!

Ich als Nicht-mehr-Jugendliche will mich daran erinnern, egal wie alt ich bin.

 

 

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