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Du kanst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand
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Du kanst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
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Mit einer Frau – ich nenne sie hier mal Ina – unterhalte ich mich über die schlimme Zeit, die hinter ihr liegt. Ihr Mann hat sie verlassen. Kurz nach der Geburt ihres dritten Kindes. Ein paar Monate hat sie noch gehofft und gebangt. Vielleicht kommt er zurück. Vielleicht stellt sich die alte Liebe wieder ein. Aber daraus ist nichts geworden. Inas Mann ist ausgezogen und wohnt jetzt mit seiner neuen Freundin zusammen. Sie weint viel. Sie überlegt viel. Was hat sie falsch gemacht? Warum ist sie nicht gut genug? Liegt ihm gar nichts mehr an ihr und den Kindern?

Allein mit drei Kindern

Jetzt ist sie allein mit den drei Kindern. Der Vater kümmert sich ab und zu, zahlt auch Unterhalt. Aber da ist dieses Loch, und der Schock und die Erkenntnis: So wie ich mir das Leben vorgestellt und erträumt habe, geht es nicht weiter.

Neu leben lernen

Jetzt lernt sie neu leben. Damit, wie es ist: Es geht langsam besser. Freunde sind an ihrer Seite. Ina erzählt im Rückblick: „Irgendwann lag ich mal heulend auf dem Sofa. Ich konnte gar nicht aufhören. Da habe ich plötzlich das Gefühl gehabt: Unter mir ist eine große Hand. Die Hand Gottes. Jetzt kann ich nicht mehr tiefer fallen. Ich werde gehalten. Dieses Gefühl hat mir geholfen.“

"Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand"

Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. Der Satz kommt mir bekannt vor. Ich forsche nach. Das ist ein Zitat aus einem Lied. Arno Pötzsch hat diese Zeilen geschrieben. Er war Pfarrer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und hat beide Weltkriege erlebt. Schon früh starb sein Vater. Er musste in Fabriken arbeiten, um den Lebensunterhalt der Familie mitzuverdienen. Im ersten Weltkrieg kämpft er mit 17 Jahren bei der Kriegsmarine.

Die Hoffnungslosigkeit eines ganzen Landes

Nach dem Ende des Krieges spürt er die Hoffnungslosigkeit eines ganzen Landes und ist in einer tiefen Glaubens- und Lebenskrise. Bei einer besonderen evangelischen Kirchengemeinde, der Herrnhuter Brüdergemeine, lernt er neu, Gott zu vertrauen und dem Leben. Im zweiten Weltkrieg ist er dann Marinepfarrer und Seelsorger. Begleitet Verwundete in den Lazaretten. Beerdigt Gefallene. In dieser Zeit dichtet er Lieder und eben diesen Vers: „Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand.“

Texte voller Hoffnung-trotzdem

Er weiß genau, wie das Gefühl ist, tief zu fallen. Arno Pötzsch, so lese ich, ist ein Mann, der oft an der Welt und an sich selbst zweifelt. Und trotzdem sind seine Texte voller Hoffnung.

Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. Seit ich weiß, wer hinter diesen Zeilen steckt, welcher Lebenslauf sich hinter diesem Satz verbirgt, berührt er mich noch mehr.

Gott in der Krise spüren

Genauso berührend finde ich Ina, die Frau, die von ihrem Mann verlassen wurde. Ina spürt in ihrer schweren Krise plötzlich Gott ganz intensiv. Ich bin Menschen wie Ina und Arno Pötzsch dankbar, die von diesem Vertrauen erzählen oder davon schreiben. Ich hoffe, wenn es drauf ankommt, spür ich das auch: „Was kann schon passieren? Ich kann gar nicht so tief fallen. Denn von unten halten mich die Hände Gottes.“

 

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