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Wo wohnt eigentlich Gott?
Bild: pixabay Ana J.

Wo wohnt eigentlich Gott?

Dr. Marco Bonacker
Ein Beitrag von Dr. Marco Bonacker, Katholischer Leiter der Abteilung Bildung und Kultur im Bischöflichen Generalvikariat Fulda
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Hunderte Menschen mit Koffern und Handgepäck warten in langen Schlangen vor den Schaltern der Fluggesellschaften. Meine Familie und ich sind auf dem Weg nach Fuerteventura in unseren Herbstferien. Es ist das Feriendomizil meiner Schwiegereltern und meine Frau und ich haben entschieden, sie dort zu überraschen. Hoffentlich halten alle dicht, haben wir schon seit Tagen gedacht, damit die Überraschung gelingt. Bisher ahnt niemand etwas. Vor allem unserer kleinen Tochter, die gerade drei geworden ist, haben wir mit Engelszungen eingeimpft, Opa und Oma bloß nichts zu verraten, wenn wir miteinander facetimen. Es ist also spannend. Die Aufregung ist bei mir aber fast größer als bei ihr; gelassen und sicher läuft sie durch das Gate. Und auch den rüttelnden Start und den Druck auf den Ohren meistert sie wie ein Vielflieger.

Hat Gott denn keine Adresse im Himmel?

Und dann sind wir über den Wolken. "Wir sind im Himmel", ruft meine Tochter begeistert. Und dann überlegt sie und sagt ganz unvermittelt"„Und wo wohnt jetzt Gott? Papa, Du hast doch gesagt, Gott ist im Himmel." Ich bin völlig platt und muss kurz überlegen: „Na ja“, sage ich dann, "der Himmel ist ja riesengroß und viel höher als wir es uns vorstellen können. Gott ist im Himmel, aber hier sind wir noch zu tief unten, um ihn zu sehen!" Meine Tochter lehnt sich beruhigt zurück und scheint mit der Antwort zufrieden. Wenig später rollt sie sich auf ihrem Sitz zusammen, legt ihren Kopf auf meinen Schoss und schläft tief und fest ein. Ich denke, während sie ruhig atmend neben mir liegt, noch über meine Antwort nach und bin nicht ganz zufrieden. Vor allem aber denke ich darüber nach, wie genau meine Tochter zuhört und Dinge kombiniert. Ihre Frage finde ich genial. Und sie erinnere mich wage an ein Zitat von Yuri Gagarin, der erste Mensch im All. Wieder zurück auf der Erde, wurde er gefragt: "Haben Sie Gott gesehen?" "Nein", sagt Gagarin knapp. Oft wurde das als Absage an den Gottesglauben gedeutet - vor allem aus sowjetischem Propagandainteresse. Aber die Frage, wo Gott wohl zu finden ist, von dem allerlei Religionen seit Jahrtausenden sprechen, ist natürlich nur legitim. Allerdings hilft der Begriff Himmel hier nur bedingt weiter.

Sagen Bilder von Gott mehr als 1000 Worte?

Immer schon haben Menschen Bilder gebraucht, um Gott zu verorten. Bilder, die auf das ganz andere, das Gegenüber der menschlichen Sphäre, der Welt, hindeuten. Der Himmel hinter den Planeten, hinter dem Universum, hinter der Ewigkeit: All das sind begriffliche Versuche zu vermitteln, dass hinter der uns zugänglichen Wirklichkeit ein größerer und letzter Sinn vermutet wird. Im Christentum sind dieser letzte Sinn und diese letzte Ursache der dreipersonale Gott. Er hat sich den Menschen zugewandt und ist sogar selbst Mensch in Jesus Christus geworden. So überbrückt er die unendliche Kluft zwischen Zeit und Ewigkeit, zwischen Himmel und Erde. Gott wohnt also nicht irgendwo, an einem Ort, sondern begegnet uns und ist uns nah. Und trotzdem transportiert der Begriff Himmel eine Wirklichkeit, die uns übersteigt, auf die viele Menschen hoffen und die Christen Vollendung nennen. Ich glaube auch heute noch, dass es überzeugende Bilder und Worte braucht, um dem Geheimnis Gottes näher zu kommen. Auch wenn die Vollendung selbst nicht in Worte zu fassen ist. Fern ab aller Bilder und Wörter ist deswegen jeder Mensch eingeladen, Gott aufzunehmen und ihn auf vielfache Weise zu erfahren: in der Liebe, in der Zuneigung, in Begegnungen, im Gebet oder auch im Schmerz und in der Trauer. Überall dort begegnet er uns, und zwar ganz ohne Worte. Das muss ich unbedingt auch meiner Tochter erklären. Aber vielleicht besser nicht mit Worten, sondern in Taten der Liebe, der Hoffnung und des Glaubens. Das wird sie am ehesten Verstehen und das ist überzeugender als jeder Begriff und jedes Bild.

Als meine Tochter aufwacht und wir landen, ist uns die Überraschung übrigens gelungen: Wir standen wie eine Erscheinung vor meinen Schwiegereltern. Unsere Tochter war selig und glücklich. In diesem Moment musste sie nicht fragen, wo Gott wohnt. Wenn sie von dem Moment erzählt, glänzen ihre Augen und so wird es vielleicht auch im Himmel sein: Da gibt es keine Fragen mehr.    

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