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Im Gewissen spricht Gott
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Im Gewissen spricht Gott

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer i. R., Kassel
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Wir hatten uns in der Kirche verabredet, zu einem Seelsorge-Gespräch. Und nun saß der Mann vor mir, mittleres Alter. Am Anfang verlief das Gespräch etwas stockend, der Anfang ist ja immer besonders schwer. Aber dann sprudelte es aus ihm heraus und er erzählte, was er an seinem Arbeitsplatz in der letzten Zeit alles durchgestanden hatte. Und immer wieder sagte er geradezu formelhaft: „Ich kann das mit meinen Gewissen nicht mehr vereinbaren!“

Das Gewissen kann uns ganz schön zu schaffen machen. Es sorgt für unruhige Stunden und schlaflose Nächte. Aber manchmal bereitet es auch entspannte Momente, denn – so sagt man zu Recht: Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.

Was ist eigentlich das Gewissen?

Aber was ist das, was wir als Gewissen empfinden, mal beruhigend und dann wieder drückend? So einfach ist das gar nicht zu erklären, welche Kraft da tätig wird und das moralische Handeln und Denken bestimmt. Auch die Philosophen hatten schon immer ihre liebe Not damit. Immanuel Kant jedenfalls verspürte die größte Hochachtung vor zwei Phänomenen, gerade weil er sie nicht erklären konnte: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir!

Jeder Mensch hat ein Gewissen

Und auch wenn der Philosoph Kant nicht erklären kann, woher das Gewissen als innere Instanz herkommt, war er sich doch sicher, dass jeder Mensch ein Gewissen hat. Und er war überzeugt davon, dass wir uns das Gewissen nicht erwerben müssen, es ist einfach schon da; ganz unabhängig von Bildung und Herkunft.

Gewissen oder Bauchgefühl -  Entscheidungen, die nicht aus dem Kopf kommen

In der Umgangssprache taucht das Gewissen auf, wenn etwa das Bauchgefühl benannt wird, um eine Entscheidung zu erklären, die nicht aus dem Kopf kommt. Und genau das war der andere Aspekt, der schon den Philosophen beschäftigte. Das Gewissen ergibt sich nicht allein durch Nachdenken oder Grübeln. Die innere Gewissheit, richtig zu handeln, betrachtete er vielmehr als das Ergebnis von Gesprächen. So hatte dann auch das Gewissen den Mann, der mir nun gegenüber saß, in die Kirche geführt, um es im Gespräch zu erleichtern.

Meist meldet sich das schlechte Gewissen zuerst

In kaum einer anderen Situation wird das Gewissen dermaßen in den Vordergrund gestellt wie beim Beten. Und auch das Gebet ist eine spezielle Art des Gesprächs. Ja, man kann sogar sagen, das Gebet ist nichts anderes ist als eine Zwiesprache mit Gott. Das Gewissen aber, das sich meistens ja als schlechtes Gewissen meldet, geht dem Gebet noch voraus. Es ist so, als spräche Gott durch das Gewissen mit mir, noch bevor ich dazu kommen, mir eigene Gedanken zu machen.

Eine innere Stimme, die einfach da ist

Diese innere Stimme ist einfach da, wie ein Wunder bleibt sie unerklärlich. Und doch ist die Stimme Gottes im Gewissen maßgeblich für alles, was ich tue. Wenn sie sich zum Dialog ausweitet, kann ich in Ruhe sagen: Ja, ich bin mir gewiss, dass ich richtig entscheide, wenn ich meinem Gewissen folge. In unserem Seelsorgegespräch kamen wir dann auch zu dem Ergebnis, dass in der Meldung des Gewissens schon der erste Schritt zum Gebet liegt.

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