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Auf dem Weg zurück ins Leben
(C)Martin Vorländer

Auf dem Weg zurück ins Leben

Dr. Dr. h.c. Volker Jung
Ein Beitrag von Dr. Dr. h.c. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Darmstadt
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Sprecherin der biblischen Zitate: Nicole Abraham

„Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Das ist der alte Ostergruß der Christenheit. Der Tod ist überwunden. Jesus ist vom Tod auferstanden. Gottes Macht und Gottes Liebe zum Leben sind stärker als der Tod.

Glauben ist nicht immer einfach

Dieser Glaube gibt Menschen immer wieder Kraft. Aber mit diesem Glauben ist es nicht so einfach. Selbst wenn der Kopf sagt: „Ich will das glauben“, kann das Herz eine ganz andere Sprache sprechen. Besonders dann, wenn Menschen enttäuscht sind. Wenn sie Abschied nehmen mussten, wenn sie den Tod in unmittelbarer Nähe erlebt haben. Manchmal ist es dann so, dass jede Hoffnung, jeder Glaube verschwunden ist.

Den beiden Menschen ist es so ergangen, denen wir heute begegnen. Sie haben Jesus gekannt. Sie waren mit ihm unterwegs als seine Jünger. Sein Tod hat sie erschüttert. Sie brauchen eine ganze Weile, bis sie erkennen: Jesus lebt und mit ihm auch wir.

Am selben Tag waren zwei Jünger unterwegs zu dem Dorf Emmaus. Es lag gut zehn Kilometer von Jerusalem entfernt.Sie unterhielten sich über alles, was sie in den letzten Tagen erlebt hatten. (Basisbibel Lukas 24, 13-14)

„Jesus ist auferstanden.“  - Die Jünger glauben es anfangs nicht

Es war der Ostermorgen. Einige Frauen, die mit Jesus unterwegs waren, gehen zum Grab. Das war nach damaliger Sitte eine Aushöhlung im Fels. Darin ist Jesus nach seiner Kreuzigung gelegt worden. Das Grab ist leer. Engel sagen ihnen: „Jesus ist auferstanden.“ Sie gehen zurück zu den anderen Frauen und Männern, die bei Jesus waren, und erzählen es. Alle schütteln die Köpfe und halten es für dummes Geschwätz.

Zwei auf dem Weg nach Emmaus

Zwei von ihnen halten es nicht mehr aus an dem Ort, wo das alles geschehen ist. Sie machen sich auf den Weg nach Emmaus – enttäuscht von dem, was in den letzten Tagen war. Unterwegs reden sie miteinander darüber, wie Jesus gefangen genommen wurde. Wie sie ihn verhört, gefoltert und ans Kreuz geschlagen haben. Sie hatten anderes erwartet, große Hoffnungen in ihn gesetzt.

Sie hatten gehofft, dass durch ihn die Besatzung des Landes durch die Römer endet. Dass es gerecht zugeht und überhaupt, dass sich das Leben bessert. Dass Menschen sich nicht gegenseitig das Leben schwermachen. Dass niemand mehr hungern muss. Es gab so viele Hoffnungen. Und dann die große Enttäuschung. Jesus wurde als Verbrecher verurteilt und gekreuzigt. Völlig zu Unrecht. Wenigstens reden sie. Das ist gut. Wer traurig und enttäuscht ist, sollte reden. Das allein tut schon gut.

Musik: Kay Johannsen, Du großer Schmerzensmann

Wer traurig ist und enttäuscht, sollte reden

Wer traurig ist und enttäuscht, sollte reden. Ich begegne zurzeit immer wieder mit Menschen, die sehr enttäuscht und manchmal auch verstört sind. Junge Menschen, die Angst haben vor der Zukunft. Sie sind enttäuscht, dass nicht mehr gegen den Klimawandel getan wird. Sie sagen: „Wir sind groß geworden mit Hoffnungen auf ein gutes Leben. Dann haben wir nach und nach verstanden, wie bedroht unsere Zukunft ist. Das haben wir nicht erst durch Corona gemerkt, aber in dieser Zeit noch einmal besonders.“  

Reden, damit die Verzweiflung nicht siegt

Ich finde: Ja, da muss geredet werden. Und es braucht etwas, damit die Verzweiflung nicht Oberhand gewinnt. Das spüre ich auch in anderen Gesprächen. Da sind Menschen entsetzt über den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Wie ich denke, völlig zurecht. Ein brutaler Bruch des Rechts. Bisher dachten doch viele in Deutschland: Kriege sind ganz weit weg. Dieses Vertrauen ist erschüttert. Wie kommen wir damit zurecht? Damit, dass auf einmal die Bedrohungen näher gerückt sind.

Jesus geht mit nach Emmaus - unerkannt

Bei den beiden Jüngern damals auf dem Weg nach Emmaus war geschehen, was sie befürchtet haben. Jesus ist umgebracht worden. Und jetzt reden sie darüber, wie enttäuscht sie sind und dass sie ihre Hoffnung verloren haben. Plötzlich ist jemand an ihrer Seite und begleitet sie auf ihrem Weg.

Während sie noch redeten und hin und her überlegten, kam Jesus selbst dazu und ging mit ihnen. Aber es war, als ob ihnen jemand die Augen zuhielt, und sie erkannten ihn nicht. Er fragte sie: »Worüber unterhaltet ihr euch auf eurem Weg?« Da blieben sie traurig stehen.Einer von ihnen – er hieß Kleopas – antwortete: »Du bist wohl der Einzige in Jerusalem, der nicht weiß, was dort in diesen Tagen passiert ist?« Jesus fragte sie: »Was denn?« Sie sagten zu ihm: »Das mit Jesus aus Nazaret! Er war ein großer Prophet. Das hat er durch sein Wirken und seine Worte vor Gott und dem ganzen Volk gezeigt.Unsere führenden Priester und die anderen Mitglieder des jüdischen Rates ließen ihn zum Tod verurteilen und kreuzigen.Wir hatten doch gehofft, dass er der erwartete Retter Israels ist. Aber nun ist es schon drei Tage her, seit das alles geschehen ist. Und dann haben uns einige Frauen, die zu uns gehören, in Aufregung versetzt: Sie waren frühmorgens am Grab.Aber sie konnten seinen Leichnam nicht finden. Sie kamen zurück und berichteten: ›Wir haben Engel gesehen. Die haben uns gesagt, dass Jesus lebt!‹Einige von uns sind sofort zum Grab gelaufen. Sie fanden alles so vor, wie die Frauen gesagt haben –aber Jesus selbst haben sie nicht gesehen.« (Basisbibel, Lukas 24, 15-24)

Zwei Jünger von Jesus sind auf dem Weg nach Emmaus – ein kleiner Ort, zu Fuß zwei Stunden entfernt von Jerusalem. Sie reden miteinander von dem, was sie in den letzten Tagen erlebt haben. Sie versuchen Abstand zu gewinnen. Sie sind enttäuscht und voller Trauer.

Man sieht nicht klar, wenn man in den eigenene Gedanken gefangen ist

Ein Mann spricht sie an und sie reden mit ihm. Sie kennen ihn nicht, sie erkennen in ihm nicht Jesus. Viel zu sehr sind sie in ihrer Trauer und ihren Gedanken gefangen. Wie es sein kann, wenn sich Enttäuschung, Trauer und vielleicht auch Wut im Kopf und im Herzen festgesetzt haben. Wenn ich nicht so klar sehe wie sonst. Das kann so sein beim Abschied von geliebten Menschen, bei großen Sorgen um das eigene Leben oder das Leben anderer Menschen.

Oder auch, wenn das Gefühl da ist, machtlos zu sein – gar nichts tun zu können gegen die Überhitzung dieser Erde, gegen Gewalt und Krieg. Ja, da ist es gut, mit anderen zu reden. Aber auch da können die Gedanken und Gespräche sich im Kreise drehen. Und irgendwie kommt niemand raus.

Jemand von außen, kann helfen

Dann kann es gut sein, wenn jemand von außen dazu kommt. So ist es hier in der Geschichte vom Ostermorgen. Jesus fragt nach, was die beiden Männer erlebt haben. Und noch einmal erzählen sie ihre Geschichte – von ihrem Weg mit Jesus, dem großen Propheten, von dem sie so viel erhofft hatten. Sie erzählen, dass er verurteilt und gekreuzigt wurde. Und auch von den Frauen und dem leeren Grab. Sie geben zu erkennen, dass sie bezweifeln, was die Frauen am Grab erfahren haben. Niemand hat Jesus gesehen. Und sie selbst sehen Jesus auch nicht, obwohl er mit ihnen auf dem Weg ist und sie mit ihm reden.

Es gibt Wegstrecken, da ist man ratlos und verzweifelt

Was hier geschieht, hat eine tiefe symbolische Bedeutung. Der Evangelist Lukas erzählt diese Geschichte so fein und so behutsam, weil er damit sagen will: So etwas erleben viele auf dem Weg des Glaubens und des Lebens. Sie sind unterwegs, es kommen Fragen und Zweifel, es gibt Wegstrecken, da sind sie ratlos und verzweifelt. Sogar so sehr, dass sie gar nicht wahrnehmen: Sie sind nicht allein. Jesus ist an ihrer Seite.

Musik: Kay Johannsen, Jesus lebt, mit ihm auch ich

Jesus ist an ihrer Seite

Es gibt Strecken auf dem Weg des Lebens und des Glaubens, auf denen es dunkel ist – selbst mitten am Tag. Dunkel, weil Sorgen groß sind oder weil irgendetwas geschehen ist, was Hoffnungen zerstört hat. Davon erzählt auch die Geschichte der beiden Jünger, die am Ostermorgen auf dem Weg nach Emmaus sind. Jesus, der vom Tod auferstanden ist, ist an ihrer Seite. Sie erzählen ihm ihre Geschichte, aber sie erkennen ihn nicht. Immer noch hängen sie fest in ihren Gedanken. Da redet Jesus zu ihnen und deutet, was sie erlebt haben.

Da sagte Jesus zu den beiden: »Warum seid ihr so begriffsstutzig? Warum fällt es euch so schwer zu glauben, was die Propheten gesagt haben?Musste der Christus das nicht alles erleiden, um in die Herrlichkeit seines Reiches zu gelangen?«Und Jesus erklärte ihnen, was in der Heiligen Schrift über ihn gesagt wurde –angefangen bei Mose bis hin zu allen Propheten. So erreichten sie das Dorf, zu dem sie unterwegs waren. Jesus tat so, als wollte er weiterziehen.Da drängten sie ihn: »Bleib doch bei uns! Es ist fast Abend, und der Tag geht zu Ende!« Er ging mit ihnen ins Haus und blieb dort.(Basisbibel, Lukas 24, 25-29)

Eine neue Perspektive des Glaubens

Jesus fängt an zu reden. Er gibt den beiden einen neuen Blick auf das, was sie erlebt haben. Er redet von den Heiligen Schriften und davon, dass dort Dinge stehen, die helfen zu verstehen, was geschehen ist. Was er ihnen eröffnet, ist eine Perspektive des Glaubens. Das ist ein anderer, ein weiterer Horizont. Es ist gut, einen solchen Horizont zu haben. Wie gut ist es, beim Abschied von einem geliebten Menschen glauben zu können: Dieses Leben ist nicht verloren, es ist aufgehoben in Gottes Ewigkeit. Gottes Macht ist stärker als der Tod, Gott schenkt neues Leben.

Auch heute, in unserer Zeit, ist es schwer, das zu glauben. Die Probleme sind übergroß – und Lösungen oft nicht in Sicht. Es ist nötig, alles uns Mögliche zu tun, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Das ist überhaupt keine Frage.

Lasst uns Frieden suchen

Bei allem, was zu tun ist, hilft mir das Vertrauen darauf, dass Gott diese Welt und das Leben auf dieser Welt erhält. Das schützt davor zu verzweifeln. Und wenn ich mit Menschen über den Krieg rede, dann ist für mich wichtig zu sagen: Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. Lasst uns deshalb Frieden suchen und lasst uns Gott darum bitten, dass Frieden werde. Aber wie Frieden werden kann, weiß niemand im Moment genau. Meine Ratlosigkeit teile ich mit vielen.

Und trotzdem halte ich fest am Gebet - für alle. An der Hilfe für die Überfallenen. Und an der Hoffnung, dass es so bald wie möglich andere Mittel geben wird als Gewalt und Krieg. Für mich ist das fest verbunden mit Jesus. Mit seinem Leben, seinen Worten, seinem Tod und seiner Auferstehung.

Die Jünger spüren eine besondere Kraft, die von ihrem Begleiter ausgeht

Die Jünger auf dem Weg nach Emmaus erkennen Jesus immer noch nicht, als er zu ihnen spricht. Aber sie spüren, dass von dem Fremden eine besondere Kraft ausgeht. Deshalb bitten sie ihn: "Bleibe doch bei uns. Es ist fast Abend und der Tag geht zu Ende."

Musik: Josef Gabriel Rheinberger, Bleib bei uns, denn es will Abend werden (Frieder Bernius und Kammerchor Stuttgart)

Die beiden Jünger bitten den fremden Mann, der sie auf dem Weg nach Emmaus begleitet hat, bei ihnen zu bleiben. Er ist mit ihnen unterwegs gewesen, er hat ihre Geschichte gehört. Er hat gespürt, wie traurig sie sind. Und er hat ihnen einen neuen Blick auf das geschehen, was sie erlebt haben – einen Blick des Glaubens.

Am Brotbrechen erkennen sie Jesus

Später ließ er sich mit ihnen zum Essen nieder. Er nahm das Brot, dankte Gott, brach das Brot in Stücke und gab es ihnen.Da fiel es ihnen wie Schuppen von den Augen, und sie erkannten ihn. Im selben Augenblick verschwand er vor ihnen. Sie sagten zueinander: »Brannte unser Herz nicht vor Begeisterung, als er unterwegs mit uns redete und uns die Heilige Schrift erklärte?«Sofort brachen sie auf und liefen nach Jerusalem zurück. Dort fanden sie die elf Jünger beieinander, zusammen mit allen anderen, die zu ihnen gehörten.Die Jünger riefen ihnen zu: »Der Herr ist wirklich auferstanden! Er hat sich Simon gezeigt!«Da erzählten die beiden, was sie unterwegs erlebt hatten –und wie sie den Herrn erkannt hatten, als er das Brot in Stücke brach. (Basisbibel, Lukas 24, 30-35)

Als die beiden Jünger und der Fremde miteinander essen, erkennen sie ihn. Wie am Abend des Abschieds bricht er das Brot, teilt es in Stücke. Was ihnen das Herz und die Augen öffnet, sind nicht nur seine Worte. Sie spüren seine Nähe und sehen plötzlich, wer er ist.

Das Abendmahl - eine Erinnerung, dass Jesus auf unsichtbare Weise da ist

Christinnen und Christen feiern bis auf den heutigen Tag miteinander das Abendmahl. Sie erinnern sich daran, dass Jesus den Menschen, die bei ihm waren, Brot und Wein gereicht hat – als Zeichen seiner Nähe über seinen Tod hinaus. Es ist ein körperliches Zeichen dafür, dass Jesus auf unsichtbare Weise da ist – mit auf dem Weg, so wie bei den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus.

Als die beiden Jünger Jesus erkennen, verschwindet er vor ihren Augen. Festhalten können sie ihn nicht. Aber in ihnen verändert sich etwas. Glaube erfüllt sie. Sie schauen zurück und merken, wie sich schon auf dem Weg etwas verändert hat. Sie fragen sich selbst: "Brannte nicht unser Herz vor Begeisterung?"

"Der Herr ist wirklich auferstanden!"

Sie sind so begeistert und voll neuer Kraft, dass sie umkehren. Obwohl es Abend ist, gehen sie wieder zurück – dahin, wo der Schmerz so groß war. Sie gehen zurück nach Jerusalem. Dort werden sie begrüßt: "Der Herr ist wirklich auferstanden!" Und sie können erzählen, dass sie ihm begegnet sind. Dieser Glaube gibt ihnen neue Kraft. Er zeigt ihnen den Weg zurück ins Leben.

Das wünsche ich auch Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer: Ich wünsche Ihnen, dass die Osterbotschaft Sie erreicht – was auch immer Sie gerade erleben. "Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!" Diese Worte sind mehr als ein Gruß. Sie helfen, nicht zu verzweifeln, sondern zu hoffen: Das Leben ist stärker als der Tod. 

Musik: Michael Praetorius, Christ ist erstanden (Stimmwerk)

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