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Über die Bedeutung des Lichts
Foto: pixabay

Über die Bedeutung des Lichts

Marcus Vogler
Ein Beitrag von Marcus Vogler, Leitender katholischer Pfarrer der Pfarrei St. Bonifatius Amöneburger Land
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Bald haben wir sie hinter uns, die dunkle Jahreszeit. Bei meinem Blick aus meinem Balkonfenster merke ich nachmittags, wie es täglich immer etwas länger hell bleibt. Dank des höheren Sonnenstandes verlängern sich die Tage im vor uns liegenden Monat Februar um satte 1 Stunde und 30 Minuten. Ich merke, wie gut mir das tut. Gerade nach der dunklen und nassen Jahreszeit spüre ich, wie sehr ich das Licht brauche. Es geht mir eindeutig besser, wenn ich genügend Licht habe. Ich fühle mich leistungsstärker und zufriedener. Außerdem vermittelt mir Licht ein Gefühl der Sicherheit. Ich fühle mich an einem helleren Ort sicherer als ein einem dunklen. Ein und derselbe Ort erscheint in absoluter Dunkelheit bedrohlich, während er in strahlender Helligkeit in mir ein Gefühl der Geborgenheit schafft.

Lichtmomente festhalten

In meiner Freizeit und im Urlaub bin ich gerne in der Natur unterwegs. Mit meiner Kamera versuche, ich besondere Momente und schöne Landschaften festzuhalten. Auch hier spielt das Licht eine entscheidende Rolle. Gerade am frühen Morgen hüllt das einzigartige, weiche Licht die Natur in warme Rottöne. Der wunderbare Moment, wenn die ersten hellen Strahlen den neuen Tag ankündigen. Das vermittelt mir eine starke Leichtigkeit und innere Freude. Ein Fotograf erklärte mir einmal, dass die Existenz von Licht, das auf den Sensor der Kamera trifft, die Grundvoraussetzung der Fotografie ist. Ohne Licht ist keine Fotografie möglich. Das sagt allein schon der Begriff Fotografie, der aus dem Griechischen stammt. Er setzt sich zusammen aus dem beiden Worten „Licht“ und „Schreiben oder Malen“. Übersetzt bedeutet Fotografie also „Mit Licht schreiben oder malen“. Dabei sind es genau diese speziellen Lichtstimmungen, die ein Foto einzigartig machen. Nicht nur beim Anschauen meiner gemachten Fotos, sondern auch direkt in der Natur spüre ich: Das Licht bringt in mir etwas zum Schwingen. Es lässt nicht nur die Schönheit und Vielfalt der Natur sichtbar werden, sondern es hellt auch meine Stimmung auf. Licht trägt für mich etwas Göttliches in sich.

Musik: Das Große Klassik Orchester 101 Meisterwerke der Klassik – Morgenstimmung aus Peer Gynt Suite Nr. 1

Licht hat eine Strahlkraft - religionsübergreifend

Dem Licht begegnen wir in allen Kulturen, bei allen Völkern, in allen Religionen. Licht ist die Quelle des Lebens. Licht bedeutet Orientierung, Wärme und Leben. Der Gegensatz zum Licht ist Dunkelheit. Sie bedeutet Orientierungslosigkeit, Bedrohung, Tod.

Religionswissenschaftler haben festgestellt, dass sich Menschen in allen Religionen nach Licht und Wärme sehnen. Somit sehen sie das Licht als verbindendes Element zwischen den Religionen. Ohne Licht ist zum Beispiel im Hinduismus kein Ritual möglich. So umrundet z. B. das Hindupaar bei der Hochzeit ein heiliges Feuer. Im Buddhismus wird bei einer Zeremonie im Tempel ein Licht angezündet. Im Judentum gehört das Kerzenentzünden am Freitagabend zu Beginn des Schabbats zu einem festen Ritual. Im Islam gibt es den Brauch, spezielle Ramadan-Lichter und -lampen anzuzünden.  

Licht – Symbol des Christentums

Schließlich hat das Licht auch im Christentum eine grundlegende Bedeutung. In der Heiligen Schrift wird das Licht vor allem als Metapher, also als sprachliches Bild gebraucht. Im ersten Buch der Bibel schafft Gott das Licht als Kontrast zur Finsternis (Genesis 1,3). Im Alten Testament steht das Licht außerdem für das Gute, Hilfreiche und Hoffnungsvolle. „Gott ist das Licht“ heißt es in Psalm 27.

Auch im Neuen Testament spielt die Symbolik des Lichtes eine bedeutende Rolle. So wird beispielsweise die Herrlichkeit Gottes mit einem unbeschreiblichen Lichtglanz verglichen, wie in der Erzählung von der Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor (Lukas 9,28-36). Den Hirten auf dem Feld in Bethlehem erschien mitten in der Nacht ein helles Licht, als die Engel Gottes ihnen die Geburt des Menschensohnes ankündigten und sie wurden vom Glanz des Herrn umstrahlt (Lukas 2,9), um nur einige Beispiele zu nennen. Von ähnlichen Lichterlebnissen sprechen auch die Mystiker. In der Geschichte der Spiritualität und in der christlichen Mystik gibt es unzählige Bilder, die den Kontrast von Licht und Finsternis aufnehmen. So schreibt Mechthild von Magdeburg ein Buch mit dem Titel „Das fließende Licht der Gottheit“ und Hildegard von Bingen berichtet: „Das Licht, das ich schaue, ist an keinen Ort gebunden, es ist unendlich heller als eine Wolke, die die Sonne trägt.“

„Ich bin das Licht der Welt“

Am Ausgeprägtesten ist die Lichtsymbolik im Johannesevangelium. Dort sagt Jesus von sich selbst: „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Johannes 8,12) Darum fordert Jesus auch von seinen Jüngern: Seid selbst Licht in dieser Welt und gebt das Licht weiter. „Ihr seid das Licht der Welt“, lautet eine wunderbare Zusage Jesu an seine Jünger im Matthäusevangelium (Matthäus 5,14). In diesen Aussagen, die Jesus über sich selbst macht wird deutlich, dass sein Licht von ganz anderer Qualität und Intensität ist als das Sonnenlicht. Er selbst ist die Quelle des Lichts. Wer sein Licht empfängt, der lebt. Und wer ihm nachfolgt, tappt nicht mehr im Dunkeln, sondern hat das Licht und mit ihm das Leben. (Johannes 8,12)

Musik: Irénéé Peyrot – Max Reger – Works for Organ Vol. 8 (Schuke-Orgel, Marktkirche in Halle, Saale) - Dreißig kleine Vorspiele zu den gebräuchlichsten Chorälen für Orgel No. 29: Wie schön leucht't uns der Morgenstern

Die Blumen auf der Fensterbank haben den Dreh schon raus

Jesus, ist das Licht und mit diesem Licht habe ich das Leben. Was bedeutet das für mein konkretes Leben im noch vor mir liegenden Jahr 2023?

Ein Blick auf meine Fensterbank in meiner Küche hilft mir bei der Beantwortung dieser Frage: Auf meiner Fensterbank habe ich einige wunderschöne Orchideen. Dabei fällt mir auf: Die Pflanzen drehen sich immer wieder dem Licht zu. Sie brauchen Licht und sind so programmiert. Ich habe fast den Eindruck, die Blumen haben offensichtlich eine unbändige Sehnsucht nach dem Licht. Das imponiert mir und bringt mich immer wieder ins Nachdenken. Ich spüre, dass es auch mir als Mensch guttun kann, wenn ich es diesen weisen Pflanzen nachmache und ich mich auch dem Licht entgegenstrecke und mich diesem Licht öffne. Im übertragenden Sinne bedeutet das für mich: Ich strecke mich nach dem entgegen, was mir innerlich Nahrung gibt; dem, was meine Seele aufhellt und mein Leben hell macht, was mich aufleben lässt. Für mich sind das zum Beispiel Freundschaften und Vertrauen, Glauben, positives Denken, Zeit für meine Mitmenschen, für Gott und für mich selbst. Wenn ich als Mensch dafür empfänglich bin und diese Dinge in mich „aufsauge“ wie ein Schwamm, dann tut mir das genauso gut wie das Licht meinen Orchideen, die dadurch gut ins Wachsen und Blühen kommen.

Eine Frage der Auffassung: wie viel Licht lasse ich in meinem Leben zu?

Leider fehlt mir in meinem alltäglichen Leben die Fähigkeit meiner Orchideen, die sich automatisch nach dem Licht ausrichten und dadurch aufgerichtet werden. Es gibt auch in meinem Leben das Dunkle und Schwere, das in meine Seele drängt und mich runterzieht. Aber ob es sich dort einnistet und mich beschwert, das liegt auch daran, welchen Stellenwert ich diesen Dingen gebe und auf was ich meinen Blick fokussiere. Nehme ich mehr das Helle in meinem Leben wahr oder mehr das Finstere und Düstere? Schaue ich eher auf das, was mein Herz froh macht oder auf das, was es verfinstert? Ich spüre: Das hängt stark mit meiner inneren Einstellung und Ausrichtung zusammen. Ich kann mich ganz bewusst für das innere Programm meiner Pflanzen entscheiden und meinen Blick schärfen für das Helle und Schöne in meinem Leben. Dann merke ich, wie ich innerlich auflebe und wie mich das aufbaut und ich all diese Dinge auf einmal mit Freude verkoste. Das tut mir gut und lässt mich leben.

Licht lässt sich sehr leicht weitergeben

An dieser Stelle kommt für mich Jesus, das „Licht der Welt“ (Johannes 8,12) ins Spiel. Ich kann mich und mein Leben an ihm ausrichten und an dem, was er gesagt und getan hat. Dann bin ich mit der Quelle des Lichtes und des Lebens verbunden. Damit bekommt mein Leben auf einmal eine ganz neue und intensivere Qualität. Wenn ich mein Leben von seinem Licht bestimmen lassen und es an die Orte bringen, die Licht brauchen, dann wird es hell in meinem Leben und im Leben meiner Mitmenschen. Dafür muss ich mich meiner Umwelt allerdings bewusst zuwenden und meine Augen für Menschen öffnen, in denen es dunkel aussieht. Auf einmal beginnt dann sein Licht durch mich in dieser Welt zu strahlen.

Musik: Ola Gjeilo voices, piano, springs - Gjeilo: Northern Lights

Ein Gebet, das mich aufblühen lässt

Mein Leben auf Jesus ausrichten, wie meine Orchideen das tun, wenn sie sich dem Licht entgegenstrecken. Wie kann das gelingen? Vor vielen Jahren habe ich eine Gebetsform kennengelernt, die mir dabei geholfen hat, mich und mein Leben auf Jesus auszurichten und den Blick auf das Schöne und Gute zu lenken. Es ist das Gebet der liebenden Aufmerksamkeit. Als Zeitpunkt empfiehlt sich der frühe Abend, wenn der Tag größtenteils schon vorbei ist, ich aber noch nicht zu müde bin.

Ich beginne das Gebet mit der Bitte, dass Gott mir meine Augen öffnen möge für seine Gegenwart und sein Wirken an diesem Tag - und für all das an Leben, das er mir heute zugespielt hat. 

Und dann schaue ich auf den Tag zurück, indem ich ihn wie einen Film vor meinem inneren Auge vorbeiziehen lasse. Dabei können Erfahrungen und Szenen wiederkommen, bei denen mir das Herz aufgegangen ist. Dinge, die mit gutgetan haben. Aber auch solche, die mir in irgendeiner Weise zugesetzt haben. Beides gehört zu diesem Tag, beides kann ich vor Gott ausbreiten und ihm hinhalten. Daraus kann dann ein ganz persönliches Gebet entspringen, je nachdem, was mich beschäftigt: Dank, Bitte, Klage, Fürbitte für andere, …

Dabei ist es besonders wichtig, mir die schönen und wohltuenden Erlebnisse in Erinnerung zu rufen. Über diese darf ich mich nochmals freuen, sie innerlich verkosten, ja genießen, damit sie dadurch noch tiefer in mein Herz einsickern und es erfüllen. Bei alledem mache ich mir bewusst, dass Gott mich mit seinem liebenden Blick anschaut und mich liebevoll in den Arm nimmt. So kann ich meine Aufmerksamkeit schärfen für das Schöne und Frohmachende an diesem Tag – sogar, wenn es Dinge waren, die mich runtergezogen haben.

Aufblühen – wie die Orchideen auf der Fensterbank

Seitdem ich das Gebet der liebenden Aufmerksamkeit in meinen Alltag integriert habe, spüre ich, dass ich innerlich wachse, gedeihe und aufblühe – wie meine Orchideen auf der Fensterbank. Ich spüre, dass ich immer mehr einen klareren Blick bekomme für das, was mein Leben hell macht. Und immer mehr erkenne ich schon während des Tages, was mir guttut und nicht erst beim Tagesrückblick am Abend und verkoste es bereits in dem Moment, in dem ich die schönen Dinge erlebe.

Das „Gebet der liebenden Aufmerksamkeit“ ist für mich eine gute Übung, das bewusst zu tun, was die Blumen als Programm in sich haben: dem Licht zuwenden, es in sich aufnehmen - um dadurch zu wachsen und aufzublühen.

Es kommt auf einen Versuch an. Vielleicht bekommen Sie Lust, es einfach mal auszuprobieren. Ich wünsche Ihnen gerade in diesen nicht einfachen Zeiten ein paar tiefgehende „Lichtblicke“ und die wärmenden Strahlen von der Quelle des Lichtes: Jesus Christus.

Musik: Hugo Wolf: Lieder von Mörike Locky Chung & Manabu Matsukawa- Gebet

Musikauswahl: Regionalkantor Ludwig Zeisberg, Eschwege

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