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Zeiten des Übergangs - Zeiten voller Segen
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Zeiten des Übergangs - Zeiten voller Segen

Ein Beitrag von Martin Berker, Katholischer Pfarrer, Pfarrei Sankt Josef in Neu-Isenburg
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Mittlerweile ist das neue Jahr schon ein paar Tage alt. Die Jahresrückblicke 2022 haben wir gesehen. Die Vergangenheit können wir nicht mehr verändern. Für mich ist der Januar eine Zeit, das Jahr in den Blick zu nehmen – mit Vertrauen, trotz aller Krisen und Kriege. 

Die hoffnungsvolle Farbe tut mir gut

Der Monat Januar hat seinen Namen vom römischen Gott Janus, einer Gottheit des Endes und des Neubeginns. Daher wurde Janus mit zwei Gesichtern dargestellt, die nach hinten und nach vorne blicken. Der Monat Januar ist gewissermaßen doppelgesichtig, auch in den katholischen Gottesdiensten: Der Januar blickt zurück, er beschließt die Weihnachtszeit mit dem Fest „Taufe des Herrn“, was wir am vergangenen Sonntag gefeiert haben.  Der Januar blickt aber auch nach vorne, markiert den Beginn der liturgischen Zeit im Jahreskreis. Die liturgische Farbe wechselt vom feierlichen, weihnachtlichen Weiß zu Grün - als Farbe der Hoffnung. Die hoffnungsvolle Farbe tut mir gut und begleitet mich in diesen turbulenten Zeiten. 

Ein starkes Symbol für die Jahreswende

Wie der doppelgesichtige römische Gott Janus blicken wir im Monat Januar auf Vergangenes zurück, während wir schon die Zukunft begrüßen, ein Monat des Übergangs. In den Kirchengemeinden finden zurzeit wie in den politischen Gemeinden Neujahrsempfänge statt; es werden Rückblicke gehalten und Ausblicke in die Zukunft gerichtet.

In manchen Darstellungen hält Janus in der rechten Hand einen Stab, in der linken aber einen Schlüssel, das Symbol seiner Macht. Der Schlüssel ist ein starkes Symbol für die Jahreswende und den Monat Januar: Der Schlüssel heißt für mich: Wir können das Alte abschließen und uns aufschließen lassen für das, was kommen wird, uns öffnen für das Neue. 

Musik 1:Benjamin Britten, A New Year Carol (CD: Kalender 2007, Anonymous 4, 2:13 min). 

Die Zeit ist mir geschenkt 

Zeit ist mir geschenkt: Das steckt sogar schon in dem Wort Datum. Es leitet sich ab vom lateinischen „dare“ - geben, schenken. Das neue Jahr ist mir gegeben, geschenkt – eine Zeitspanne von 365 Tagen, die nun vor mir liegen. Geschenkt hat sie mir aber nicht irgendjemand. Für mich als Glaubenden ist die Zeit von Gott geschenkt, dem Schöpfer, von dessen Schöpfung es in der Bibel heißt: Sie ist gut! Mit dem neuen Jahr schenkt mir Gott also etwas Gutes. Er gibt mir neue Chancen lässt mich manches abschließen und anderes neu beginnen.  

Dafür brauche ich Unterstützung                                                                              

Mir sind in diesen Neujahrstagen zwei unterschiedliche Haltungen von Menschen begegnet. Die einen schauen dem neuen Jahr mehr sorgenvoll entgegen, die anderen mehr erwartungsvoll. Wenn etwas neu beginnt, wünschen wir einander Gutes. Sicher haben Sie einan­der, wie auch ich, „ein gutes neues Jahr“ gewünscht - im Familien- und Freundeskreis, Nachbarn oder KollegInnen. Wenn ich jemandem zum Geburtstag gratuliere, wünsche ihm „alles Gute“. Wenn sich jemand aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis wegen eines Umzuges verabschiedet und anderswo neu beginnt, wünsche ich ihm „Gottes Segen für die Zukunft“. Ich weiß und spüre: „alles Gute“ kann ich nicht selbst machen. Dafür brauche ich Hilfe und Unterstützung - von Menschen und letztlich von Gott. 

Sehnsucht nach Schutz und Geborgenheit

An einem Beginn steht für Christen oft ein Segen. Bei der Taufe wird ein Kind von seinen Eltern und Paten gesegnet. Bei einem Einzug in ein neues Haus oder in eine neue Wohnung erbitten manche noch einen Segen. In solchen Situationen wird Gutes zugesagt. 

Segen Gottes wird mir zugesagt 

Diese Zusage hat sich in all den vielen Jahrhunderten nicht geändert. Selbst Menschen, die mit Gott und Kirche nichts im Sinn haben, sehnen sich nach Halt, Schutz und Geborgenheit. 

Gott will mir Gutes schenken

Zu Jahresbeginn wünsche ich meiner Gemeinde Gottes Segen. Im vergangenen Jahr hat ein Gemeindemitglied zu mir gesagt: „Es tut gut, das neue Jahr mit dem Segen Gottes zu beginnen. Mir gibt diese Zusage Halt und Schutz und ich spüre, dass Gott mir Gutes schenken will.“ So heißt es in einem Bibeltext, der zu Jahresbeginn im Gottesdienst gelesen wurde. 

„So sollt ihr die Israeliten segnen; sprecht zu ihnen:

Der Herr segne und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig.

Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden.“
(Numeri 6, 23b – 26) 

 

"Ich gehe deinen Weg mit"

Diese Worte sind gesprochen in der Zeit der Wüstenwanderung des Volkes Israel, also vor 3000 Jahren. Die Israeliten haben Ägypten verlassen und lagern am Sinai. Bevor sie erneut aufbrechen, erhalten Mose und Aaron von Gott den Auftrag, das Volk zu segnen. Auch wenn diese Worte sehr alt sind – ich bin überzeugt, Sie gelten auch mir. Sie sind eine Zusage: „Ich, Gott, lasse mein Angesicht über dir leuchten“ – „Ich, Gott, schau auf dich. Ich gehe deinen Weg mit.“ 

Musik 2: John Rutter, The Lord bless you and keep you (CD: The very best of John Rutter, The Cambridge Singers, City of London Sinfonia; Ltg: John Rutter, 2:36 min) 

Das hebräische Wort für „segnen“ heißt „barak“, seine Grundbedeutung ist weit, sie meint: Gottes Lebenswirklichkeit möge uns erfüllen. Alles, was wir zum Leben, zum Wohlerge­hen und zu unserem Glück brauchen, möge uns gegeben werden - vor allem alles, was wir nicht selbst schaffen, sondern uns nur schenken lassen können. Mir fallen dazu einige Beispiele ein: 

Wenn jemand auf mich zugeht...

Die Gewissheit, zu spüren, dass ich beheimatet bin. Die Kraft, sich von Rückschlägen - gleich welcher Art - nicht entmutigen zu lassen, oder die Fähigkeit, mit den negativen Seiten des Lebens umgehen zu können.  Ebenso ist ein Segen für mich der dankbare Blick auf die positiven Dinge, sie zu schätzen und sich daranzu erfreuen. 

All das und vieles mehr kann „Segen“ bedeuten. Diesen Segen spüre ich vor allem dann, wenn jemand auf mich zugeht. Wir freuen uns, wenn wir spüren, dass uns ein anderer interessant findet, dass er mit uns zusammen sein möchte. Wenn wir eine Beziehung aufnehmen, wachsen Freude, Vertrauen, Zuversicht – und auch Friede, so entsteht Segen. Gerade dann, wenn ich mich im Alltag immer wieder ausgeliefert fühle, hilflos, überfordert bin, ist es gut zu wissen: Da gibt es jemanden, der es gut mit mir meint, der an mich glaubt, der da ist. 

Ich bin ihm nicht gleichgültig

Die Segensworte zu Beginn des Jahres sagen: Gott tut genau das!  Er bietet uns an, mit ihm dieses neue Jahr zu beginnen und zu bestreiten. Dabei schaut er nicht auf uns von oben herunter, denn in Jesus ist er einer von uns geworden. Wenn ich Weihnachten feiere, sagt mir dieses Fest jedes Jahr neu: Gott ist unter uns. Er kennt mich. Ich bin ihm nicht gleichgültig. 

Gott begleitet mich durch das neue Jahr 

Wir wissen nicht, was mit dem neuen Jahr alles auf uns zukommt. Mir tut es gut, mir am Anfang des Jahres bewusst zu machen: Gott ist auch in den dunklen Stunden, bei mir. Diese Zusage gilt auch für die aussichtslos scheinenden Wegstrecken, die im Laufe dieses Jahres sicher kommen. Dazu dienen Gott viele Möglichkeiten: anteilnehmende Mitmenschen, Ereignisse, die froh machen und beglü­cken, viele kleine Selbstverständlichkeiten, die mir erst dann in ihrer Bedeutung bewusst werden, wenn sie fehlen. In diesen vielen kleinen Dingen Gottes Nähe und Segen entdecken und einander davon mitteilen – das ist die Chance dieses neuen Jahres.

Geprägt von einer gewissen Unsicherheit

Wenn ich in diesem Jahr das Datum des Tages schreibe denke ist daran: Dieser Tag ist mir geschenkt, ich bin von Gott begleitet. 

Musik 3: Jaques Berthier, Bei Gott bin ich geborgen (Taizé) (CD: Singt Gott den neuen Lobgesang. Lieder aus dem Mainzer Eigenteil des neuen GOTTESLOB, Kammerchor der KHG Gießen, Chor „um Himmels willen“; Ltg: Ralf Stiewe; 1.28 min).

Der heutige Sonntag liegt immer noch am Anfang des neuen Jahres. Insofern ist er auch geprägt von einer gewissen Unsicherheit, die die kommende Zeit bringen wird.

Der Bibeltext über Johannes den Täufer

In der Mitte des Monats Januar schaue ich noch ein bisschen zurück auf die Weihnachtszeit, die eigentlich schon hinter uns liegt. In manchen Kirchen bleiben die Krippen und Weihnachtsbäume bis zum 2. Februar noch stehen, dem Fest Mariä Lichtmess. An diesem Tag leuchtet die weihnachtliche Botschaft noch einmal auf, wenn in den Gottesdiensten erinnert wird, wie Maria und Josef ihren neugeborenen Sohn zum Tempel bringen.

Aber spätestens Mitte des Monats Januar nehmen uns die Herausforderungen von Arbeit und Familie wieder voll in Beschlag. In diese Situation hinein hören wir heute in den katholischen Kirchen den Bibeltext über Johannes den Täufer, der uns Jesus als den Sohn Gottes vorstellt. Dieser Johannes ist die vielleicht stärkste Persönlichkeit an der Schwelle vom Alten zum Neuen Bund, er bildet den Übergang zum Wirken Jesu und zu seiner Botschaft. 

Johannes, ein Mann des Übergangs 

Johannes erzählt von Jesus, den er ankündigen soll, dessen Bote er ist. Johannes weiß: Er selbst ist nicht die Hauptperson, sondern nur Vorläufer. Er weiß, dass einer nach ihm kommt – aber wer das nun genau ist, davon hat Johannes keine Ahnung. Und nun also das erste Zusammentreffen zwischen den beiden. Zwischen dem Vorläufer und dem, um den es wirklich geht. Von diesem ersten Kontakt wird rein gar nichts berichtet. Wir erfahren nichts, worüber sich die beiden unterhalten haben. Ganz schlicht heißt es im Bibeltext: „In jener Zeit sah Johannes der Täufer Jesus auf sich zukommen“ (Johannes 1,29). 

„Dieser ist der Sohn Gottes“

Johannes hat Jesus nicht gekannt, aber er hat ihn erkannt. Als es darauf ankommt, da erkennt Johannes den Menschen, um den es hier wirklich geht. Und er weiß, was er zu sagen hat: „Dieser ist der Sohn Gottes.“ (Johannes 1, 34) Eine großartige Bibelstelle zu Beginn des Jahres, die mir sagt: Es ist entscheidend wichtig, zu erkennen!  Wie wichtig das ist: den richtigen Moment wahrnehmen und wissen, wann der Augenblick gekommen ist, in dem ich etwas tun muss. Johannes hat Jesus nicht gekannt. Er wusste zwar, dass einer nach ihm kommt, aber er hatte ihn noch nie zuvor persönlich kennengelernt. Und jetzt, als Johannes Jesus irgendwo am Jordan steht, geschieht das Unglaubliche: Johannes erkennt den Menschen, auf den es ankommt. Johannes gehen die Augen auf und er tut das einzig Richtige, das er in diesem Moment tun kann: Er weist auf Jesus hin. 

Den richtigen Augenblick erkennen 

Das klingt zunächst ungewöhnlich. Brautleute erzählen mir manchmal etwas Vergleichbares, wenn ich sie frage, wie und wann sie den Entschluss gefasst haben zu heiraten: Ja, wir kannten uns schon viel früher, seit der Schule, aber erst später hat es gefunkt. Das ist der Moment, in dem es einem wie Schuppen von den Augen fällt: Plötzlich wird aus der Klassenkameradin, aus dem alten Bekannten ein anderer Mensch, ein Mensch, den man heiß und innig liebt. 

Der zündende Funke ist plötzlich da

Wann und warum es einem manchmal wie Schuppen von den Augen fällt, können Brautleute nicht erklären oder beschreiben. Plötzlich ist er da, der zündende Funke. Von außen betrachtet, ist alles wie vorher, aber mit den Augen des Herzens gesehen, ist alles anders geworden. So ist es auch in dem Moment, in dem Johannes auf Jesus zeigt und ihn als Sohn Gottes erkennt.

Jesus erkennen 

Es ist wichtig, den richtigen Moment zu erkennen. Manchmal, da stehe ich wie dieser Johannes am Ufer des Jordan und weiß, dass da doch einer kommen muss. Ich habe die Zusage, dass mir Jesus sein Mitgehen zugesagt hat – und zwar in allen Höhen und Tiefen des Lebens. In den Hoch-Zeiten, in denen es mir gut geht, aber besonders auch in den nicht so guten Stunden, in denen ich seine Nähe besonders brauche. Ich weiß, dass er Jesus da ist – aber manchmal, da erkenne ich ihn einfach nicht. Es ist, als ob ich blind bin für seine Gegenwart, als ob er zwar irgendwie da ist, aber ich ihn einfach nicht erkennen kann. Es hilft, wenn ich gerade in solchen Zeiten und auch jetzt zu Beginn des Jahres auf Johannes den Täufer schaue: Er hat Jesus auch nicht persönlich gekannt, aber er hat Jesus erkannt, als er vor ihm stand. 

Den richtigen Augenblick zu erkennen

Und so darf auch ich Jesus erkennen, wenn er vor mir steht. Das ist sein Versprechen, das er gegeben hat - auch in diesem Jahr. Die Aufgabe, die bleibt, ist: Ihn zu erkennen! Ihn zu erkennen, wenn er mir begegnet in den liebevollen Gesten meiner Mitmenschen. Ihn zu erkennen, wenn Menschen um einen geliebten Mitmenschen weinen, wenn sie Trost und Halt suchen. 

Als Christ glaube ich: Jesus ist da, er schenkt mir seine Gegenwart. Aber ich muss auch den richtigen Augenblick erkennen, den „richtigen Riecher“ besitzen für seine Nähe. Das nimmt mir niemand ab. Diese Achtsamkeit für den Moment, Gott zu erkennen, darf und muss ich selbst immer neu einüben, Tag für Tag. Mir hilft dabei, am Ende des Tages mich zu fragen: Wo habe ich heute die Nähe Jesu erfahren und gespürt? 

Musik 4: Francis Poulenc, Seigneur je vous en prie aus: Quatre petites prières de Saint François d’Assise (CD: Francis Poulenc, Sacred Choral Music / Musique chorale religieuse, Netherlands Chamber Choir, Ltg: Eric Ericson, 1:18 min). 

Den rechten Moment wahrnehmen

Ich möchte meine Augen und Ohren für das Wirken Gottes in meinem Leben öffnen. Wir haben zum neuen Jahr alles Gute gewünscht. Gott sagt uns seinen Segen zu – in Gottesdiensten, aber auch in segensreichen Begegnungen. Die Zuversicht, dass alles gut gehen wird, erhoffe ich mir durch Gottes Geist, der wirkt. Den rechten Moment erkennen, dass Jesus wirkt und da ist, zeigt Johannes der Täufer, wenn er sagt: „Ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes.“ (Johannes 1, 34) Ich kann Jesus begegnen in meinem Nachbarn, in der Kollegin, im Obdachlosen, in jedem Kind. 

Im Januar, dem Monat des Übergangs, will ich Altes abschließen und mit Gottes Segen mich für das Neue öffnen. Ich gehe weiter vertrauensvoll in dieses neue Jahr, wenn ich mich öffne für all den Segen und das Gute, das Gott mir schenken will – auch in diesem fast noch neuen Jahr 2023. 

Musik 5: John Rutter, A Gaelic Blessing (CD: The very best of John Rutter, The Cambridge Singers, City of London Sinfonia; Ltg: John Rutter, 1:48 min.)

(Musikauswahl: Regionalkantorin Regina Engel, Neu-Isenburg)

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