
Erzähl mal, Opa!
Er erzählt nicht mehr so viel. Vielleicht liegt es an seinen 85 Jahren, mit denen alles langsamer geht: körperlich und geistig.
100 Seiten Zeit zu erzählen
Jetzt aber hat er über 100 Seiten Zeit zu erzählen. Seine Enkelin Johanna hat ihm das Buch „Opa, erzähl mal“ von Elma van Vliet geschenkt. Es steckt voller Fragen. Und voller leerer Zeilen. Gefüllt soll es dann einen Erinnerungsschatz bergen: viele O-Töne des Großvaters für sein Enkelkind und die ganze Familie.
Wunderbare Erinnerungen durchs Erzählen
„Mit was für Spielsachen hast du als Kind gespielt?“ – „Was sind deine Erinnerungen an deine Großeltern?“ Und dann kommen Geschichten, wie aus einer anderen Welt. Weil er nicht mehr selbst schreiben kann, sitze ich als Sohn mit Kugelschreiber am Pflegebett. Und freue mich, wie viele Bilder beim Erzählen aufleuchten: von den amerikanischen Besatzern und ihren Kaugummigeschenken und Jeep-Fahrten für die Kinder rund um die kleine Stadtkirche. „Come on, boy!“, erinnert sich der Opa und sieht förmlich seine Kindheit vor sich.
„Wer war deine erste Liebe?“, fragt das Buch weiter. Und: „Wie hast du Oma kennen gelernt?“ Ich bin gerührt beim Schreiben. Und die Enkelin wird es beim Lesen sein.
Das Buch ist gefüllt und ich bin es auch
„Welche fünf Dinge sind dir in deinem Leben am wichtigsten?“ – „Was würdest du in deinem Leben anders machen, wenn du noch mal die Chance dazu bekämest?“ Und während der Opa erzählt und ich schreibe, überlege ich, was ich antworten würde.
Nach vier wundervollen Terminen am Pflegebett ist nicht nur das Buch gefüllt. Ich bin es auch:
Einfach mal der langen Lebenserfahrung zugehört, ohne dazwischen zu quatschen. Und gelernt: Da liegt einer pflegebedürftig und in seinen Möglichkeiten so begrenzt – aber Erstens: zufrieden und Zweitens: voller Gottvertrauen.
Ob´s mir mal genauso geht?
Und einfach mal zuhören
Eine der letzten Fragen nehme ich besonders mit: „Was willst Du mir als Rat fürs Leben unbedingt mitgeben, Opa – erzähl mal!?“
Was wir einander für´s Leben raten?!
Vielleicht müssten wir uns bei unseren persönlichen Antworten viel öfter gegenseitig zuhören, um uns und das Leben zu verstehen – egal in welchem Alter.