Sawubona
In Südafrika habe ich kennengelernt, wie sich Menschen von der Volksgruppe der Zulu begrüßen. Ihre Begrüßung lautet: Sawubona! Sawubona heißt wörtlich “Ich sehe dich, du bist mir wichtig und ich schätze dich“. Auf diese Begrüßung antworten die Leute normalerweise mit „Shiboka“, was bedeutet, “Dann existiere ich für dich”. Mich berührt das! Wie schön zu hören: Ich werde wirklich gesehen. Ich bedeute dem anderen etwas.
Gesehen werden - auch wenn man einen Fehler gemacht hat
Das gilt auch und gerade dann, wenn eine Person einen Fehler gemacht hat, sich falsch verhalten hat und das Verhältnis eigentlich gestört ist. Keine Rede davon, dass sie nun ignoriert wird oder nicht mehr gegrüßt. Im Gegenteil: Sie wird ins Zentrum des Dorfes geführt. Die Nachbarn, Freunde und Familie bilden einen Kreis um die betreffende Person. Alle grüßen sie mit „Sawubona“. Du bist mir wichtig. Sie fangen an, sie an ihre guten Taten, Tugenden, Erfolge und Qualitäten zu erinnern. Ich finde das faszinierend. Jemand, der einen Fehler gemacht hat, wird nicht beschämt. Sondern zuerst ermutigt. Dahinter steht der Glaube: Dieser Mensch kann es besser.
Gott vergibt und beschämt nicht
Auch im Judentum und im Christentum gibt es diese Idee - auch wenn sie in der Vergangenheit immer wieder vergessen wurde. In der Bibel bedeutet das griechische Wort für ermahnen gleichzeitig ermutigen. Und Gott vergibt gerne und beschämt nicht, er sieht die Möglichkeiten im Menschen. Das nimmt mich nicht aus der Verantwortung, jemanden zum Beispiel um Verzeihung zu bitten oder an Fehlern zu arbeiten. Aber: Ich kann mich am besten ändern, wenn mir etwas vergeben wird, wenn mich jemand ermutigt. Das hilft mir, etwas besser zu machen. Das kommt den Angehörigen der Zulu mit ihren Ritualen schon recht nahe. Ich finde, das kann heute beginnen, wo wir zum Beispiel unseren Nächsten nicht nur grüßen, sondern wahrnehmen und anschauen. Sawubona!