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Frühlingsgenuss in Krisenzeiten
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Frühlingsgenuss in Krisenzeiten

Clemens Weißenberger
Ein Beitrag von Clemens Weißenberger, Katholischer Pastoralreferent, Frankfurt
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Ich liebe die Zeit im Mai. Die Natur ist in vollem Aufbruch. Der Frühling ist da. Viel länger als im Winter scheint die Sonne warm ins Gesicht. In unserem kleinen Garten hinter dem Haus blühen inzwischen die ersten Stauden, die ich selbst eingepflanzt habe. Ich liebe es, das alles zu beobachten, und freue mich. Vor ein paar Tagen war ich mit meiner Kollegin zum ersten Mal wieder ein Eis essen. Wir haben es uns gut gehen lassen. Was für ein Leben. Ich fühle mich von Gott gesegnet.

Darf ich glücklich sein?

Gleichzeitig gibt es immer wieder dieselben schlimmen Nachrichten. Bei jeder Fahrt zur Arbeit höre ich im Radio die Nachrichten vom Krieg Russlands gegen die Ukraine. Zerstörte Städte, verschleppte Zivilisten, Kinder, die aus der Familie gerissen werden oder flüchten mussten. Das ist so komplett anders als mein Frühling zuhause. Wie als ob sich eine Gewitterwolke vor die Sonne schiebt. Manchmal habe ich fast ein bisschen schlechtes Gewissen, mich am Frühling zu freuen, während gleichzeitig Menschen leiden und sterben, in der Ukraine und anderswo. Darf ich denn da überhaupt fröhlich sein? Es mir gut gehen lassen? Andererseits: Es hilft niemandem, wenn ich aus falsch verstandener Solidarität unglücklich bin. Wenn ich mir mein Eis nicht gönne. Oder es hilft mir vielleicht: Ich hoffe, dass, wenn es mir gut geht, ich Energie habe, mich um die Not anderer zu kümmern.

Segen kann gedeihen...

Den Frühling genießen: Das ist für mich wie ein Speicher von Glück und Gelingen. Aus dem kann und will ich schöpfen, gerade wenn ich Menschen leiden sehe. Damit ich Kraft habe, mich dem Schlechten und dem Leid entgegenzustellen. Und zu versuchen, etwas zu verändern. In einem Segenslied, das ich gerne mag, da lautet eine Textzeile: „Segen kann gedeihen, wo wir alles teilen, schlimmen Schaden heilen...“ Denn nur wenn ich Kraft habe, weil es mir gut geht bin ich motiviert, etwas für andere zu tun, das merke ich immer wieder. Nur wenn es mir gut geht, kann ich gut zu Anderen sein.

Gottes Segen für mich

Für mich ist das ein Teil meines Glaubens: Die Not anderer sehen, einander helfen, sich füreinander einsetzen. Für Flüchtlinge aus der Ukraine bei uns zum Beispiel. Und es ist auch Teil meines Glaubens, das Gute, das mir geschenkt wird, anzunehmen und zu genießen. Der Frühling, die Sonne, die mich wärmt und meine Nase kitzelt: Für mich steckt in beidem Gottes Segen für mich.

 

 

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