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Mit zweierlei Maß messen
GettyImages/Antonio Guillem

Mit zweierlei Maß messen

Claudia Rudolff
Ein Beitrag von Claudia Rudolff, Rundfunkpfarrerin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Kassel
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Mal wieder eine Konferenz. Mein Kollege vertritt vehement seine Meinung. Ihm liegt das Projekt sehr am Herzen. Mir ist sein wortreicher Einsatz zu viel. Ich schreibe meiner Lieblingskollegin im Chat: „Mann, der kann aber massiv sein!“ Sie schreibt zurück: „Genau wie du, wenn dir etwas ganz wichtig ist.“

Den Splitter im Auge des anderen sehen ...

Ich bin empört: So bin ich nicht. Das schreibe ich ihr auch. Darauf kommt zurück: „Ja, ja, man sieht gern den Splitter im Auge des anderen. Aber den Balken im eigenen Auge sieht man nicht.“ Dahinter ein Zwinker-Smiley.

Mit zweierlei Maß messen

Erst ärgert mich ihre Antwort. Doch dann denke ich an viele Situationen, wo ich mit zweierlei Maß messe. Wenn jemand nachdrücklich seine Meinung vertritt, halte ich ihn für eigensinnig und stur. Mache ich das, bin ich standhaft. Wenn jemand meine Freunde nicht mag, hat er Vorurteile. Wenn ich seine nicht mag, dann beweise ich Menschenkenntnis.

Sich selbst gut darstellen - den anderen in schlechtes Licht setzen

In ein und derselben Situation gestehe ich mir positive Eigenschaften zu und dem anderen kreide ich sie negativ an. Solche Beurteilungen führen immer zum gleichen Ergebnis: Ich stelle mich gut dar und lasse den anderen im schlechten Licht erscheinen.

Gott misst nicht mit zweierlei Maß

Nur wo es mir gelingt, nicht mit zweierlei Maß zu messen, verlasse ich den Kreislauf von Urteilen und Beurteilt-werden. Wo das gelingt, gestehe ich dem anderen die Freiheit zu, die Gott uns gewährt. Gott misst nicht mit zweierlei Maß. Deshalb möchte ich dies beherzigen: Vertritt jemand nachdrücklich seine Meinung, ist er nicht stur, sondern ebenso standhaft wie ich! Braucht er wie ich ebenso für etwas länger Zeit, ist er genauso bedachtsam.

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