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Ein Auge dafür, was werden kann
GettyImages/Irina Starikova

Ein Auge dafür, was werden kann

Christoph Neumann
Ein Beitrag von Christoph Neumann, Pastor i.R. Bund Freier Evangelischer Gemeinden, Friedrichsdorf
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Trude, die Gans, steht im Wohnzimmer. Eine Erinnerung an unseren Urlaub. Da kamen unsere Kinder vom Strand nach Hause, beladen mit einem schweren Stein. „Schaut mal, was wir gefunden haben!“ Ich sage: „Ah, einen Stein.“ „Nein, das ist eine Gans!“, klären meine Kinder mich auf. „Die wollen wir anmalen. Können wir die Wasserfarben haben?“

Ein Blick dafür, was werden kann

Nach einiger Zeit kommen wir Eltern ins Kinderzimmer. Und staunen, wie aus dem schweren Stein eine charaktervolle Gänsedame geworden. Mit einer Baseballkappe auf dem Kopf und einem verschmitzten Lächeln um den Schnabel.

Die Kinder hatten ein Auge dafür, was sich aus dem grauen, schweren Stein machen lässt. Ich denke, so müssen Künstler sehen können. Steinmetze oder Bildhauer wie der italienische Künstler Michelangelo. Von dem heißt es, dass er an einem weißen Marmorblock schon den Engel sehen konnte, der einmal als Schmuckstück in einem Dom stehen würde.

"Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde"

Noch mehr hat Gott solche Augen. Augen, die sehen, was werden kann. In der Bibel heißt es: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde.“ Das heißt doch, dass jeder und jede von uns ein Mensch ist, in dem mehr steckt, als äußerlich zu sehen ist.

Das verändert meinen Blick, wenn ich weiß: In jedem Menschen steckt mehr, als ich sehe. Nicht nur in meinen Kindern, die ich liebe und die ich schon manchmal weitersehe, als sie heute sind. Auch in dem kantigen und unbequemen Zeitgenossen steckt mehr, als ich sehe.

Trude, die Gans in unserem Wohnzimmer, hilft mir, einen hoffnungsvollen Blick zu bekommen. Auf einen Stein. Auf meine Kinder. Und vielleicht auch auf einen kantigen Zeitgenossen. So dass ich plötzlich sagen kann: „Schau mal, was ich gefunden habe!“

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