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Ab in den Himmel
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Ab in den Himmel

Dr. Fabian Vogt
Ein Beitrag von Dr. Fabian Vogt, Evangelischer Pfarrer in der Öffentlichkeitsarbeit, Frankfurt
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Heute ist Christi Himmelfahrt. Christinnen und Christen feiern den Glauben daran, dass Jesus in den Himmel aufgefahren ist. Als Kind dachte ich immer: „Wow! Wahrscheinlich ist Jesus wie eine Rakete gestartet und dann senkrecht ins Weltall geschossen.“ Hat mir gefallen, die Vorstellung. Später dann als Jugendlicher kam mir eher Superman in den Sinn. Denn der kann so wunderbar lässig die Faust in den tiefblauen Himmel strecken und – mir nichts, dir nichts – abheben und entschwinden.

Der Himmel fasziniert damals wie heute

Klar: Als die biblische Geschichte von der Himmelfahrt Jesu ursprünglich erzählt wurde, gab es noch keine Raketen. Und Superman natürlich auch nicht. Deshalb haben sich die Leute lange Zeit garantiert etwas völlig anderes vorgestellt als ich. Aber der Himmel fasziniert damals wie heute. Himmel, das klingt nach Weite, Unendlichkeit, alles Schwere hinter sich lassen, abheben und fliegen können. Und: Himmel ist da, wo Gott ist. Davon kommt viel in der biblischen Erzählung von Christi Himmelfahrt vor. Schauen wir uns das mal an.

"Eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken"

In der Bibel steht: Jesus ist vom Tod auferstanden und seinen Jüngerinnen und Jüngern immer wieder erschienen. Aber dann wird er vor ihren Augen – aufgepasst – „aufgehoben“. Schon mit diesem Wort wird klar: Da geht’s gar nicht um ein eigenmächtiges Abheben. Wörtlich heißt es: „Eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.“ (Apostelgeschichte 1,9) Das klingt eher nach freundlichem Shuttle-Service als nach Raketenstart: „Eine Wolke nahm ihn auf.“ Und Jesus ist dabei keineswegs der aktiv Handelnde, etwas wird mit ihm gemacht. Der Himmel kommt ihm entgegen.  

In der Antike sind die Mythen und Sagen voller Himmelfahrten

Himmelfahrt klingt für uns moderne Menschen ziemlich spektakulär. Aber damals in der Antike sind die Mythen und Sagen voller Himmelfahrten. Die galten fast schon als Alltagsphänomen. Ja, die griechischen, die römischen und die ägyptischen Götter waren ständig zwischen Himmel und Erde unterwegs. Der Göttervater Zeus zum Beispiel, dieser alte Schwerenöter, hatte andauernd Rendezvous mit Menschentöchtern und entschwand danach wieder auf den Olymp. Das war ein Auf und Ab sondergleichen. Sprich: Dass auch der Wanderprediger Jesus einen Trip in den Himmel macht, hatte in der damaligen Kultur erst mal überhaupt keinen Neuigkeits- oder Nachrichtenwert.

Da, wo Gott ist, da ist der Himmel

 Aber darum ging es auch nicht. Die Geschichte von Himmelfahrt will nämlich gar nicht von einem Ortswechsel erzählen – eben noch auf der Erde, jetzt im Himmel. Denn eines wussten schon die frühen Christinnen und Christen: Der Himmel, das ist nicht ein räumlicher Ort, sondern ein Ausdruck für Gottes Nähe. Ja, da, wo Gott ist, da ist der Himmel. Das heißt: Himmelfahrt steht zuerst dafür, dass Jesus Gott ganz nahekommt. Jesus, der Sohn Gottes, kehrt nach seiner Zeit auf der Erde zurück zu seinem Vater und ist wieder mit ihm vereint.

Wie kann ich eine persönliche Himmelfahrt erleben?

Die Erzählung von Himmelfahrt macht vor allem diesen Gedanken deutlich: Man kann Gott ganz nahekommen. So wie Jesus. Und die Menschen hat schon damals bewegt: Wie kann ich denn Gott nahekommen? Sprich: Wie kann ich eine persönliche Himmelfahrt erleben?

Musik

Die Wolke ein Symbol für Gott

In der biblischen Geschichte von der Himmelfahrt Jesu heißt es ziemlich poetisch: „Eine Wolke nahm Jesus auf und entzog ihn den Blicken der Jünger.“ Eine Wolke? Was für uns nach einem mirakulösen meteorologischen Ereignis klingt – Wolken, die Menschen aufnehmen können – wurde damals in erster Linie als spirituelles Phänomen verstanden. Denn alle Anwesenden wussten, dass diese Wolke ein Symbol für Gott ist. Eines der bekanntesten und beliebtesten sogar. Spätestens seit Gott dem Volk Israel beim Auszug aus der Sklaverei in Ägypten jeden Tag in Form einer Wolke den Weg durch die Wüste gezeigt hat, hat sich dieses Bild fest in der Überlieferung des Judentums etabliert: Gott in Gestalt einer Wolke.

Gott will den Menschen nah sein

Es hätte in der Himmelfahrtsgeschichte deshalb auch gleich stehen können: „Gott nahm Jesus auf.“ Das ist der Clou dieser so ungewöhnlich anmutenden Idee von der Himmelfahrt: Uns wird bildhaft gezeigt, dass Gott den Menschen nah sein will – und dass der Mensch Gott nah sein kann. Himmel und Erde sind nur einen Schritt voneinander entfernt.

Die Jünger waren fasziniert von dem Wolkenspektakel

Lustigerweise war aber selbst die Jüngerschar von dem Wolkenspektakel so fasziniert, dass sie die wahre Bedeutung des Geschehens fast übersehen hätte. Zumindest heißt es kurz darauf im Text: „Als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut in den Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“ (Apostelgeschichte 1,10-11)

Zwei Engel holen die Jünger auf den Boden der tatsachen zurück

Es müssen zwei Männer in weißen Gewändern, also: zwei Engel auftreten, um die Jünger auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen: „Was steht ihr da und schaut in den Himmel?“, sagen sie. Dieser Nachklapp macht noch mal deutlich: Bei der Himmelfahrt von Jesus Christus geht es um ein symbolisches Geschehen. Es zeigt:  Der Übergang zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und Mensch ist offensichtlich durchlässig. Das ist bis heute so. Und wer wie die Jünger nur baff auf die äußerlichen Phänomene starrt, der verpasst das Eigentliche: Dass Gott den Menschen nah sein will.

Himmel und Erde sind füerinander offen

Darum lautet die Engelsbotschaft ja auch: „So, wie Jesus hier eben in den Himmel gefahren ist, so wird er auch wiederkommen.“ Also: Das Ganze ist keine Einbahnstraße, sondern Himmel und Erde sind füreinander offen. Darum, ihr Jünger, schaut nicht in die falsche Richtung, ins Firmament, sondern lenkt euren Blick in die Wirklichkeit. Für mich heißt das auch: Schaut, wie die Himmelfahrts-Erfahrung im Alltag sichtbar werden kann – wo erlebe ich, dass Gott den Menschen nah sein will?

Musik

Die Geschichte von der Himmelfahrt Jesu macht deutlich, dass es eine Schnittstelle zwischen Himmel und Erde gibt. So wie Gott in Gestalt einer Wolke Jesus aufnimmt, können Menschen erleben, dass ihr Leben einen Qualitätssprung macht, wenn sie die Gegenwart Gottes erfahren.

Das Himmelreich auf Erden finden

Und das deckt sich perfekt mit dem, was Jesus leidenschaftlich verkündet hat. Jesus redet nämlich am Allerliebsten vom Himmelreich. Also vom Himmel. Nur ist er der Überzeugung: Es geht darum, dieses Himmelreich auf der Erde zu finden. Und der Himmel ist da, wo Gott ist. Aber wo ist Gott?

Gott ist die Liebe

Da ist Jesus ganz eindeutig: Gott ist die Liebe. Wo die Liebe das Miteinander der Menschen bestimmt, da ist Gott gegenwärtig. Der Himmel beginnt, wo Menschen freundlich zueinander sind, barmherzig, zugewandt, achtsam. Jesus geht sogar so weit, dass er das Zusammenspiel von Gott und der Liebe quasi umdreht. Jesus zeigt: Wir können nicht nur sagen „Da wo Gott ist, da ist die Liebe. Wir können sogar sagen: Da, wo die Liebe ist, da ist Gott.“ (1. Johannes 4,16)

Jeder Mensch, der liebt, erlebt eine kleine Himmelfahrt

Mit anderen Worten: Wer liebt, wer liebevoll handelt, wer sich bei allem, was er oder sie denkt, tut und sagt, von der Liebe leiten lässt, zeigt damit, dass Gott in der Welt gegenwärtig ist. Um im Bild zu bleiben: Der oder die sorgt dafür, dass ein Stück Himmel auf Erden spürbar wird. Insofern wäre es ganz legitim zu behaupten: Jeder Mensch, der liebt, erlebt eine kleine Himmelfahrt. Der erlebt genau das, was die Himmelfahrtsgeschichte sagen will: Menschen können Gott ganz nah kommen.

Eine Einladung an die Menschen, Gott gegenwärtig werden lassen

Heute an Christi Himmelfahrt geht es deshalb nicht um eine atemberaubende, die physikalischen Grenzen sprengende Legende von Jesus, der plötzlich abhebt und entschwebt. Es geht um die Einladung: Lasst uns selbst Himmelfahrerinnen und Himmelfahrer sein. Menschen, die daran glauben, dass der Himmel offensteht, und die durch ihr liebevolles Agieren etwas vom Wesen Gottes in der Welt erfahrbar machen, die in Gottes Gegenwart eintauchen und Gott gegenwärtig werden lassen.

Der Begriff "Himmel" steht für eine neue Form von Lebensqualität

Und wenn es stimmt, dass der Begriff „Himmel“ in der Himmelfahrtsgeschichte vor allem für eine neue Form von Lebensqualität steht – eben für ein Leben in der Gegenwart Gottes –, dann kann jede und jeder so einen „Aufstieg“ erleben, wie er von Jesus anschaulich berichtet wird. Nur hat dieser Himmel, in den wir eintauchen und aufsteigen können, nichts mit der Wolkendecke zu tun, sondern mit der göttlichen Liebe, von der Jesus so schwärmt. In diesem Sinne: Ab in den Himmel!

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