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Zuversicht – dringend gesucht
picture alliance/dpa/Marc Müller

Zuversicht – dringend gesucht

Stephan Krebs
Ein Beitrag von Stephan Krebs, Evangelischer Pfarrer, Langen
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Das Foto zeigt Jon Bon Jovi bei einem Konzert in Deutschland. 

Heute ist Palmsonntag. Die Karwoche fängt an. Aus Sicht der Bibel beginnt diese Woche mit einem großen Missverständnis. Die einen denken: „Jetzt wird alles gut.“ Sie jubeln und schwenken Palmwedel. Andere werden still gewesen sein. Sie haben geahnt: „Das nimmt ein böses Ende.“

Palmzweige zur Begrüßung Jesu

Der Palmsonntag heute ist benannt nach den Palmenzweigen. Damit begrüßen die Anhängerinnen und Anhänger Jesus, als er in Jerusalem einzieht. (Johannes 12,12-16) Der Weg in die Stadt ist ein Triumphzug, so beschreibt es die Bibel. Jerusalem ist das Zentrum des Landes und das Zentrum des Glaubens. Genau der richtige Ort also für den großen Showdown. Der steht nun kurz bevor. So denken wohl viele, die Jesus schon lange begleiten: Jesus wird die Gewaltherrschaft der Römer brechen und ein Friedensreich errichten. Darin können die Menschen in achtsamer Liebe zusammenleben. Für viele Anhängerinnen und Anhänger von Jesus ist der Palmsonntag also ein Tag voller Hoffnung. Ihre großen Erwartungen werden allerdings bald darauf enttäuscht. Denn nur vier Tage später kommt es ganz anders: Jesus wird verhaftet, gefoltert, gekreuzigt. Er stirbt qualvoll.

Zwischen großen Hoffnungen und tiefem Abgrund

Zwischen großen Hoffnungen und tiefem Abgrund – diese Gefühlslage ist mir derzeit vertraut. Es ist noch nicht lange her, da hatte ich große Hoffnungen und dachte erleichtert: „Jetzt kriegen wir die Kurve. Jetzt wird alles gut.“ Nach den Klimakonferenzen: Endlich! Das Leugnen der Probleme und das Wegschauen sind vorbei. Weltweit schien klar zu sein: Das ist jetzt unsere wichtigste Aufgabe. Darauf konzentrieren wir uns nun gemeinsam, mit allen Kräften, die wir haben.

Doch dann legte sich der Krieg in der Ukraine wie eine Giftwolke auf die Welt. Auch in China scheint das Großmachtgerangel auf einmal wieder wichtiger zu sein als die Sorge um die Welt von Morgen. Politische Machtspiele: Sie verdrängen die Kämpfe, die eigentlich zu kämpfen sind: für ein gesundes Klima, gegen den Hunger, gegen vermeidbare Krankheiten, für Freiheit und für ein erfülltes Leben.

Worauf kann ich jetzt hoffen?

Ich komme aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus und frage mich: Worauf kann ich jetzt hoffen? In dieser Gemütslage hört sich ein Song von Bon Jovi beklemmend aktuell an, obwohl er schon 30 Jahre alt ist. Unwohlsein an der Welt ist nichts Neues. Der Song trägt den Titel: „Keep the Faith“ – Bewahre den Glauben. Auch Jon Bon Jovi sucht nach Hoffnung, nach Zuversicht. Zugleich beschreibt er, wie es sich anfühlt, verzweifelt zu sein.

Musik

I've been walking in the footsteps of society's lies. I don't like what I see no more. Sometimes I wish that I was blind. Sometimes I wait forever to stand out in the rain. So no one sees me cryin'. Trying to wash away the pain.

Ich bin in die Fußstapfen der Lügen der Gesellschaft getreten. Was ich sehe, gefällt mir nicht mehr. Manchmal wünsche ich mir, ich wäre blind. Manchmal warte ich ewig darauf draußen im Regen zu stehen, damit niemand sieht, wie ich weine und versuche, den Schmerz wegzuwaschen.

Man trägt an den gesellschaftlichen Altlasen mit

Das sind starke Bilder. „Ich bin in die Fußstapfen der Lügen der Gesellschaft getreten.“ Das tut man von klein auf. Man bewegt sich in den Fußstapfen derer, die vor einem gehen. Man trägt an alldem mit, was die Gesellschaft mit sich führt.

Dazu gehören die politischen Altlasten des Zweiten Weltkrieges und des Kalten Krieges. Als er 1989 zu enden schien, dachte ich schon einmal: „Jetzt wird alles gut.“ Der Eiserne Vorhang fiel und Frieden lag in der Luft. Da schien es zum ersten Mal möglich, dass die Länder dieser Erde kooperieren statt einander zu bedrohen. Zum ersten Mal konnte man – scheinbar - getrost aus Panzern Altmetall machen. Doch Scharfmacher hatten anderes im Sinn. Sie haben die alten Feindschaften neu angefüttert. Ich könnte darüber weinen.

Hoffen, dass alles gut wird

Bislang habe ich immer gehofft, dass alles gut wird. Dass Vernunft einkehrt. Und die Menschen merken: Im Frieden geht es fast allen besser. Ohne Feinde ist man fröhlicher. In einer intakten Welt lebt man unbeschwerter. Heute beschleicht mich die bange Frage: Was ist, wenn das nicht passiert? Wenn die Menschheit nichts dazu lernt und weiter auf ihrem Weg durch Krieg und Zerstörung taumelt? Vielleicht war es vermessen von mir zu denken – und zu hoffen, dass das ausgerechnet in meiner Lebenszeit enden würde.

Ein Song über das persönliche Leben im Kleinen

Der Song von Bon Jovi schaut nicht nur auf die große Welt. Sondern auch auf das persönliche Leben im Kleinen. Dort sind dieselben Effekte wirksam, die die Weltpolitik prägen: Egoismus, Neid, Hass. Aber – nicht zu vergessen: auch die Liebe.

Musik

Everybody needs somebody to love. (Mother, mother) Everybody needs somebody to hate. (Please believe me) Everybody's bitching, 'cause they can't get enough. And it's hard to hold on, when there's no one to lean on.

Jeder braucht jemanden, den er lieben kann. Jeder braucht jemanden zum Hassen. Alle meckern, weil sie nicht genug bekommen können. Und es ist schwer, sich festzuhalten, wenn man sich an niemanden anlehnen kann.

Die raue Stimme von Jon Bon Jovi klingt verzweifelt. Sie steckt aber auch voller Trotz. Sie putscht auf zum Durchhalten. Der Sänger powert. 25 Mal singt er: Keep the Faith – bewahre den Glauben. Es ist ihm ernst mit dem Mut machen, mit dem Durchhalten im Glauben.

Keep the Faith - bewahre den Glauben

Was ist das für ein Glauben? Der Aufruf „Keep the Faith“ stammt aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Er ist eine gegenseitige Ermutigung. Daraus wurde in den USA ein geflügeltes Wort – allerdings oft ohne klaren Inhalt. Eher ein vager Appell an das Gemeinsame, das niemand benennt, an eine Kraft, die keinen Namen hat. Er gehört zur sogenannten Zivilreligion, die das Land gesellschaftlich zusammenhält: „Halte durch, sei stark, glaube - an dich selbst, an die USA, an irgendetwas Gemeinsames.“ Keep the Faith ist also auch eine allgemeine Durchhalteparole, ähnlich wie im Deutschen das „Kopf hoch!“.

Glauben macht man nicht selbst - das kann allein Gott

Doch Jon Bon Jovi geht darüber hinaus. Er ist christlich erzogen und glaubt an Gott. Darüber spricht er offen in Interviews und singt davon auch in seinen Songs. Mit dem Wort Faith meint er nicht irgendetwas, sondern den Gott der Bibel. Bon Jovi spricht Gott in dem Song „Keep the Faith“ direkt an: „Lord - Herr, du musst den Glauben bewahren.“ Damit drückt er einen christlichen Kerngedanken aus: Glauben macht man nicht selbst. Das kann allein Gott. Gott bewahrt den Glauben – und bietet ihn an. Bon Jovi ist sich sicher: Der Glaube ist nicht gefährdet. Er übersteht jeden Regen, jedes Erdbeben, jeden Krieg und jede Krise.

Musik

Faith, you know you're gonna live through the rain. Lord, you got to keep the faith. Faith, don't you let your love turn to hate. Now we've got to.

Glaube, du weißt, du wirst den Regen überleben. Herr, du musst den Glauben bewahren. Glaube, lass deine Liebe nicht zu Hass werden. Jetzt müssen wir …

Leben zwischen Hoffnung auf Liebe und Sorge vor dem Hass

Hoffnung auf die Liebe, die alles zum Guten wendet. Sorge vor dem Hass, der die Welt verdunkelt. Zwischen diesen beiden Polen haben Menschen wohl schon immer gelebt. Hoffnung und Sorge gehören auch zum Palmsonntag heute. Mit Palmenzweigen wird Jesus begrüßt, als er in Jerusalem einzieht. Die mit den Palmenzweigen hoffen, dass nun bessere Zeiten anbrechen. Andere werden wohl still gewesen sein. Voller Sorgen vor dem, was da kommt.

Am Ende werden beide recht behalten. Die schlimmen Vorahnungen erfüllen sich: Die Mächtigen setzen sich durch und töten Jesus. Aber beseitigen können sie ihn nicht. Gott erweckt ihn von den Toten. Mit ihm steht die Hoffnung neu auf: Das scheinbar böse Ende wird zu einem neuen Anfang.

Mit Jesus ersteht die Hoffnung neu

Damit sendet Gott eine Botschaft in die Welt. Die lautet: Liebe ist zäher als Hass. Frieden überwindet den Krieg. So soll es werden. Diese Hoffnung hält Gott am Leben. Gerade jetzt, in schweren Zeiten. Ich kann sie verlieren oder abweisen. Aber sie bleibt vorhanden, denn Gott bewahrt sie. Deshalb kann ich sie wiederfinden. Ich kann mit dieser Hoffnung leben und wir können uns gegenseitig die Hoffnung stärken. Das ist das, was wir tun können - für uns selbst und für die Welt: Behalte den Glauben. Keep the Faith.

Musik

Sprecher der Zitate: Bastian Korff

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