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Lebe lange und in Frieden!
Bild: benjaminbalazs_pixabay

Lebe lange und in Frieden!

Anke Jarzina
Ein Beitrag von Anke Jarzina, Katholische Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Peter und Paul in Wiesbaden
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„Lebe lange und in Frieden!“ Viele Menschen wissen sofort, woher dieses Zitat stammt. „Lebe lange und in Frieden!“: Das war der legendäre Gruß von Mister Spock, dem Vulkanier mit den spitzen Ohren. Zusammen mit Captain Kirk ist er durchs Weltall geflogen. Ich war mal eine Zeitlang total verrückt nach „Raumschiff Enterprise“, dieser amerikanischen Serie, die im Original „Star Trek“ heißt. Sie hatte in den 1970er Jahren ihre Premiere im deutschen Fernsehen und ist seitdem unzählige Male wiederholt worden.

Die Kulte-Geste bei allen Star Trek Fans

„Lebe lange und in Frieden“: Diese Begrüßungs- oder Abschiedsformel haben in der Raumschiff Enterprise-Welt die Bewohner des Planeten Vulkan benutzt. Sie führen dabei eine bestimmte Geste aus: Eine Hand wird erhoben und die Finger zwischen Ring- und Mittelfinger zu einem symbolischen V gespreizt. Die Geste ist Kult bei allen Fans von Star Trek. Aber auch darüber hinaus versteht fast jeder dieses Zeichen als Anspielung auf „Raumschiff Enterprise“ und Mister Spock.

Im Original hieß der Gruß „Lebe lang und wachse“

„Lebe lange und in Frieden“ hieß im englischen Original immer „Live long and prosper“, was wörtlich übersetzt so viel bedeutet wie „Lebe lang und wachse“. Die Worte „Lebe lange und in Frieden“ passten aber besser zur Synchronisation – das war wohl einer der Gründe für die Übersetzung. Es gibt aber noch einen anderen Grund, den ich viel spannender finde. So viel vorweg: Die zum V gespreizte Hand steht nicht, wie viele denken, für den Anfangsbuchstaben des Planeten Vulkan. Sie hat eine viel feinsinnigere, bedeutsamere Herkunft.

Der Darsteller von Mister Spock, Leonhard Nimoy, war Jude

Die Entstehungsgeschichte des Vulkaniergrußes mit der zum V gespreizten Hand hat mit der Bibel zu tun - und damit, dass der Darsteller des Mister Spock, Leonhard Nimoy, Jude war. Heute wäre er 92 Jahre alt geworden; 2015 ist er gestorben. Im Gedenken an ihn ist der 26. März vor ein paar Jahren zum „Live long an prosper“-Day ernannt worden. Star-Trek-Fans feiern den heutigen Tag deshalb als internationalen - beziehungsweise intergalaktischen - Feiertag – und grüßen sich dazu natürlich mit dem Vulkaniergruß. Aber wie ist der denn nun entstanden?

Die Geste hat Nimoy an den „Aaronitischen Segen“ angelehnt

Leonard Nimoy hat die Geste seines Mister Spock an den sogenannten „Aaronitischen Segen“ angelehnt. Diese Segensformel stammt aus der Bibel (4. Buch Mose, Kapitel 6, Verse 24-26) und ist fester Bestandteil jüdischer Gottesdienste. In abgewandelter Form wird er auch in christlichen Kirchen gesprochen. In der neueren Version lautet er: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“

Wie kam Mister Spock zu diesem Segen?

Daher kommt er also, der „Frieden“ im „Lebe lange und in Frieden“. Wie aber kam Mister Spock zu diesem Segen?

Er sah, wie der Rabbi beim Segen seine Finger zum V spreizte

Als Kind hat Nimoy mit seinen Eltern oft jüdische Gottesdienste besucht. Dort hat er einmal folgendes beobachtet: Der Vorsteher der jüdischen Gemeinde, der Rabbi, spendete der versammelten Gemeinde den Segen. Weil es die Tora vorschreibt, bedeckten sich dazu alle Betenden die Augen mit den Händen oder ihrem Gebetsschal oder schauten weg. Nur der kleine Leonhard linste heimlich und sah: Der Rabbi erhob zum Segen seine Hände und spreizte seine Finger dabei zu einem V. Das beeindruckte Leonhard Nimoy so sehr, dass er daraufhin das V mit den Händen ständig einübte – ohne zu wissen, dass es einmal sein Markenzeichen werden würde.

Der Segen kommt also vom Allmächtigen

Das V der Hände steht symbolisch für den hebräischen Buchstaben „Shin“. Damit beginnt das Wort „Shaddai“, was auf Deutsch „Der Allmächtige“ bedeutet. So zeigt der Rabbi beim Segnen: Nicht er ist der Spender des Segens, sondern „der Allmächtige“.

Sie wissen gar nicht, dass sie sich mit der Geste gegenseitig segnen

Leonhard Nimoy hat diese Geste aus der jüdischen Liturgie entlehnt und weltweit zum Kult gemacht. „Die meisten Menschen wissen bis heute nicht, was dahinter steckt“, sagte Nimoy einmal. Und weiter: „Sie wissen gar nicht, dass sie sich mit dieser Geste gegenseitig segnen."

Segnen bedeutet eigentlich: sich etwas Gute sagen

„Lebe lange und in Frieden!“: Das ist nicht nur der Gruß der Vulkanier, sondern eine Segensformel. Das gefällt mir. Denn ich glaube: Wir brauchen Segen, heute vielleicht mehr denn je. Segnen, das bedeutet nämlich eigentlich: sich etwas Gutes sagen. Segen heißt auf Lateinisch: „benedictio“, was abgeleitet ist von den Wörtern „bene“, was „gut“ heißt, und „dicere“, also „sagen“. „Benedicere“ heißt: Sich etwas Gutes sagen, von jemandem gut sprechen, jemanden loben, preisen.

Jedem, den ich heute treffe, will ich etwas Gutes sagen

„Lebe lange und in Frieden!“ Wie anders könnte diese Welt aussehen, wenn wir uns so begegnen würden! Weil heute der “Live-long-and-prosper”-Day ist, möchte ich das mal ausprobieren: jedem, den ich heute treffe, etwas Gutes sagen, zur Begrüßung oder zum Abschied. „Lebe lange und in Frieden“ ist doch eine schöne Art, das zu tun! Vor allem geht es ja um die Haltung, die dahinter steht: Ich begegne Menschen aufmerksamer, wenn ich ihnen ganz bewusst etwas Gutes wünsche. Ich merke wahrscheinlich auch schneller, was sie brauchen, was ihnen fehlt. Wem ich „ein langes Leben“ und „Frieden“ wünsche, mit dem gehe ich doch fast automatisch respektvoll und wohlwollend um.

Die Vision einer Zukunft mit Gleichheit, Toleranz, Akzeptanz und Inklusion

In der Welt von Star-Trek gibt es ihn, diesen guten Umgang miteinander. Aber natürlich nicht immer und überall. Es gibt auch Auseinandersetzungen und Kriege. Aber: In der sogenannten Sternenflotte, zu der das Raumschiff Enterprise und seine Besatzung gehören, gibt es bestimmte Direktiven. Mit denen wird sowohl der Umgang der Offiziere untereinander geregelt als auch das Verhalten gegenüber fremden Lebensformen. Zum Beispiel gilt: Bevor man sich auf einen Kampf mit einer fremden Spezies einlässt, müssen alle Versuche unternommen werden, einen ersten Kontakt herzustellen und eine nicht-militärische Lösung zu finden. Solche Direktiven finde ich vorbildlich – und auch deshalb mag ich Star Trek so. Hinter der Serie steckt nämlich die Vision einer Zukunft, in der Gleichheit, Toleranz, Akzeptanz und Inklusion herrschen. Alles das gibt es nicht geschenkt. Aber mit diesen Werten fällt es mir leichter, mich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten, gerade gegenüber dem Fremden und Unbekannten.

Das verbindet Star Trek mit meiner Religion

Das klingt wie eine Religion – und manche Fans der Serie betrachten sie auch als solche. „Lebe lange und in Frieden“ ist für einige nicht nur eine Gruß- oder Segensformel, sondern eine Art Glaubensbekenntnis. Für mich ist Star Trek keine Religion. Aber ich find‘s klasse, dass es Verbindungen gibt zu meinem Glauben, zur jüdisch-christlichen Tradition – mit dem Segen, der in dem Vulkaniergruß steckt.

Der Allmächtige ist es, der Segen und Gutes gibt

Und dieser Segen bedeutet für mich nicht nur: Ich will dem anderes Gutes, will liebevoll mit ihm umgehen. Sondern auch: Ich verbinde mich dafür mit dem „Urgrund meines Seins“, mit Gott. Das ist ja auch die ursprüngliche Bedeutung der zum V gespreizten Hände im Judentum: Der Allmächtige ist es, der segnet und Gutes gibt. Auch dann, wenn sich heute die Star-Trek-Fans mit dem vermeintlichen Vulkaniergruß „Lebe lange und in Frieden“ grüßen. Ich mach jedenfalls mit!

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