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Ostern bewegt
(C) Martin Vorländer

Ostern bewegt

Ksenija Auksutat
Ein Beitrag von Ksenija Auksutat, Evangelische Pfarrerin, Stockstadt
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hr4 Gottesdienstübertragung Ostersonntag, 9. April 2023, 10.04 - 11.00 Uhr aus der der Evangelischen Kirche Stockstadt am Rhein

Hier direkt und hier bei hr4 können Sie den Gottesdienst nachhören.

Predigt von Pfarrerin Ksenjia Auksutat:

Liebe Ostergemeinde,

Ostern beginnt, als sich eine Frau auf den Weg macht. Sie bewegt sich, hin zu dem Ort ihrer Trauer. Sie trauert. Aber sie lebt. Und das heißt: Sie bewegt sich. 

Leben ist Bewegung

Denn Leben ist Bewegung. Schon im Mutterleib schlägt das kleine Herz eines ungeborenen Kindes. Und ein Leben lang hebt und senkt sich der Brustkorb mit dem Atem. Das Herz schlägt, das Blut strömt, die inneren Organe sind aktiv, auch im Schlaf. Und am Morgen, wenn man wach wird und die Augen wieder aufschlägt, setzen wir uns auch wieder willentlich in Bewegung und stehen auf für den Tag.

Erstarrung durch Schock

Wenn sich nichts mehr bewegt und alles erstarrt ist, ist alles tot. Diese Erstarrung gibt es manchmal auch, wenn jemand eigentlich ganz lebendig ist. Etwa bei einem Schock. Dann schlägt man die Hände vors Gesicht oder ist wie erstarrt, kann gar nicht mehr reden oder denken.

Die Jünger Jesu waren wie gelämht und verstummt

Heute am Ostertag erinnert die biblische Geschichte daran, dass auch die Jünger und Wegbegleiterinnen von Jesus so eine schockierende Erfahrung gemacht haben. Sie mussten mitansehen, wie ihr Freund und Lehrer, mit dem sie gemeinsam unterwegs waren, verhaftet und verurteilt wurde und schließlich am Kreuz gestorben ist. Schmerz und Trauer und vielleicht auch hilflose Wut hatten sie erfasst. Sie waren dabei wie gelähmt und verstummt.

Maria aus Magdala macht sich auf den Weg zum Grab

Auch Maria aus Magdala ist da. Nur: Maria ist nicht erstarrt in der Trauer. Sie will es fassen, begreifen. Sie ist innerlich zutiefst bewegt. Und hält es in dem Haus, in dem sie Unterschlupf gefunden haben, nicht mehr aus. Sie macht sich auf den Weg. Mir zeigt das, welche Kraft in dieser Frau steckt. Ich will mich mit ihr auf den Weg machen heute am Ostermorgen.

Maria geht zum Grab von Jesus. Aber es ist kein friedliches Grab mit Blumen und einem Namenskreuz wie auf unseren Friedhöfen heute. Sondern eine Felsenhöhle. Normalerweise ist sie mit einem großen, schweren Stein verschlossen. Doch jetzt ist der Stein weggerollt.

Der Stein ist weg

Nach dem Tod Jesu ist nichts, wie es zu sein hat. Noch nicht mal auf ein verschlossenes Grab kann man sich verlassen. Das trifft Maria Magdalena hart. Sie weint.  Sie könnte zu Boden sinken und einfach liegen bleiben. Bis keine Tränen mehr da sind. Alles leer. Und wieder zurückgehen. Aber sie schaut mit ihrem tränenverschleierten Blick hinein. Ins Dunkle. Und da ist nicht nichts. Ein Engel spricht sie an, fragt: „Warum weinst du?“

Mich erinnert das an die Erfahrung des Kindes im Kletterwald, die wir eben gehört haben. Angst und Unsicherheit hatten das Kind auf dem schwankenden Klettergerüst erfasst, keinen Schritt konnte es mehr machen. Aber als jemand zu ihm ging und es ganz sachte berührte, kehrte seine Kraft zurück. Es meisterte den letzten Abschnitt des Kletterparcours.

Für Maria Magdalena war die Begegnung mit dem Engel so eine Rückenstärkung. Sie konnte sich umwenden und wieder ins Helle gehen.

Im Schmerz hilft es, wenn jemand einfach nur da ist

Maria Magdalena hat sich in Bewegung gesetzt, obwohl sie der Tod Jesu so getroffen hatte. Erfüllt von ihrem Kummer kam sie an der Grabeshöhle an. Und dort war für sie ein Engel da. Spricht mit ihr, fragt nach. Ich glaube, das hilft einfach, wenn man einen großen Schmerz erlebt. Dann braucht man jemanden, der einfach da ist, die Hand hält, tröstet. Jemand, der fragt: Warum weinst du?

Weil Maria so tröstlich angesprochen wird, kann sie eine neue Richtung einschlagen, ins Helle gehen. Als sie aus der dunklen Grabeshöhle kommt, hört sie ihren Namen: „Maria!“ Es ist nicht der Engel, der zu ihr spricht. Es ist der, den sie so sehr sucht.

Maria Magdalena begegnet Jesus

Sie hört ihren Namen und kann es nicht glauben. Ihr Herz macht einen Sprung. „Rabbuni“, sagt sie, mein Lehrer. Läuft auf ihn zu und will ihn umarmen. Doch Jesus sagt: "Halt mich nicht fest." Jesus will ihr wohl sagen: Ich bin da. Aber nicht so wie vorher.

Sicher hat das Maria Magdalena verwirrt: Er ist da, und darüber freut sie sich. Aber anders als früher. Darin ist mir Maria Magdalena nah und ganz gewiss allen, die jemanden gerade verloren haben. Ihre Trauer, Verzweiflung und Sehnsucht, dass alles wieder so sein soll, wie vor dem Tod. So ist es nicht und so wird es nicht werden. Es wird neu und anders. Trotzdem ist der Wunsch verständlich: Ich will ihn zurück. Ein Wunsch, den so viele haben, die Abschied nehmen müssen von einem geliebten Menschen. Ohne den sie sich ihr Leben gar nicht vorstellen können.

Wie der Mann, von dem wir zu Beginn gehört haben. Er war verzweifelt. Er konnte den Tod seiner Frau einfach nicht akzeptieren. Und dann: eine neue Begegnung und eine neue Aufgabe. Er beginnt loszulassen. Zwar nur allmählich, aber er beginnt.

"Halt mich nicht fest"

"Halt mich nicht fest", sagt Jesus zu Maria. Auch sie muss ihn loslassen. Er ist ihr so nah und doch wird es nicht mehr so werden wie früher. Alles ist anders. Damit begreift Maria, dass für sie nun etwas Neues beginnt. Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.

Halte mich nicht fest, sagt Jesus. Aber Maria möchte festhalten am Vertrauten. An dem Menschen, dem sie so viel verdankt. Doch Jesus stoppt sie. Und gibt ihr zugleich eine neue Richtung, setzt sie in Bewegung. Er sagt: "Geh! Geh zu meinen Brüdern und Schwestern und richte ihnen von mir aus: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott."

Jesus gibt Maria eine neu Aufgabe

Jesus erteilt ihr keine Absage, sondern gibt ihr eine neue Aufgabe. Maria wird diesen Lebenslehrer vermissen, ja. Aber es beginnt etwas Neues. Für beide. Jesus wird zu Gott gehen. Und Maria zurückkehren zu den anderen.

Wir haben vorhin von einem Mann gehört, der unter seiner Arbeitsbelastung zusammengebrochen ist. Der einen mühevollen Weg gegangen ist, um wieder gesund zu werden. Er kehrte danach zurück in seinen Job. Aber er war nicht derselbe. Seine Haltung hatte sich geändert und auch sein Verhalten. Für ihn war es nicht mehr zuerst wichtig, möglichst viel zu leisten. Sondern lebendig zu sein und zu bleiben. Arbeit und Leben waren bei ihm in eine neue gute Balance gekommen.

Ostern ist kein Schlusspunkt, sondern ein Anfang

Ich erzähle gerne heute am Ostertag von all diesen Erlebnissen. Von dem Kind, das mit ein wenig Rückenstärkung weiter klettern kann. Von dem Witwer, der inzwischen auch dankbar auf das zurückschaut, was er mit seiner Frau alles erleben und teilen konnte. Von dem Mitarbeiter mit dem Burn-Out, der eine neue gute Balance für sich gefunden hat. Es sind für mich Ostergeschichten. Denn Ostern ist kein Schlusspunkt, sondern ein Anfang. Wir sind unterwegs. Miteinander und mit Jesus, der nicht im Tod blieb. Sondern auferstanden ist.

Ostern heißt: Ich blicke nicht mehr erstarrt auf das, was war. Ich halte nicht fest, was war. Ich bewege mich und mache neue Erfahrungen, nehme Situationen und Menschen in den Blick, die die ich nicht erwartet habe, die neu sind, vielleicht auch fremd.

Nichts ist mehr wie es war

Nichts ist mehr wie es war. Maria muss den Auferstandenen Jesus ziehen lassen. Loslassen statt Festhalten. Abschied und neuer Anfang. Großer Schmerz und neues Vertrauen. Tod und neues Leben. Maria aus Magdala hat Anteil an diesem neuen Leben.

Viele gehen heute mit Maria Magdalena in den Ostertag. Vielleicht auch an die Gräber mit Blumen und einem Namenskreuz. Weinen um einen lieben Menschen, den sie nicht festhalten konnten. Oder sie kehren um aus dunklen Sackgassen, in die sie sich verrannt haben.

Das ist mein Osterwunsch: Wir öffnen die Augen und erkennen, wo Gott uns nahekommt. Wir hören auf die Stimme, die sagt: Geh! Wir machen uns auf den Weg, stehen auf und gehen auf Neues zu. Denn der Herr ist auferstanden. Ja, er ist wahrhaftig auferstanden. Amen.

Mitwirkende:

Liturgie + Predigt:                      Pfarrerin Ksenija Auksutat

Moderation und Lesungen:        hr4-Moderator Hermann Hillebrand

Liturgische Mitwirkung:             Ruth Henninger, Dr. Otmar Nassau, Michael Tagliente

Musik:                                         Stefano Perotta, Orgel
                                                    Frauenchor der Gemeinde
                                                    Matthias Horn, Bariton
                                                    Blechbläser-Ensemble Contrapunctus
                                                    Anita Maul, Trommel
                                                    Anita Wuschke, Tamburin

Leitung Musik:                          Kantor Uwe Krause und Kantorin Dagmar Staudt (Chor)

Ü-Technik hr:                             Sven Fischer und Wulf Schnaase

Seelsorgerinnen Telefon:           Mona Debus, Annette Isheim, Ksenija Auksutat

Kirchliche Redaktion:                Redaktion hr: Pfarrerin Heidrun Dörken
Theologische Beratung:             Prof. Dr. Hans Erich Thomé

Musik und Lieder:

David German, Trumpet Tune (Blechbläser-Ensemble Contrapunctus)
EG 100, Wir wollen alle fröhlich sein Strophen 1, 2 und, 4
Klaus Wallrath, Ehre sei Gott (Frauenchor)
Gunnar Petersson, Gloria (Frauenchor, Rhythmus-Instrumente, Trompeten)
Christopher Tambling, Gloria (Frauenchor, Orgel, Bariton)
EG 116, Er ist erstanden, Strophen 1 – 4
Roger Emerson, Cantata Brasilia (Frauenchor, Klavier)
EG plus 96, „Ich sing dir mein Lied“ (Bläser, Bariton)
EG 117, Der schöne Ostertag, Strophen 1-3
Klaus-Ewald Fischbach, Halleluja-Ruf (Frauenchor)
Manfred Schlenker, Halleluja-Ruf (Bariton, Blechbläser-Ensemble Contrapunctus)
EG 103, Gelobt sei Gott im höchsten Thron, nur Refrain (Bariton, Bläser)
Frieda Fronmüller , Bearbeitung des Chorals „Christ ist erstanden“ (Blechbläser-Ensemble Contrapunctus)
EG 112, Auf, auf mein Herz, Strophen 1 – 3
Dieter Wendel, Hersburger Festmusik (Blechbläser-Ensemble Contrapunctus)

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