Wie Gott froh wird
Der alte Herr tritt von einem Bein aufs andere. Er steht am Empfang einer Arztpraxis und muss warten. Zunächst ist nicht erkennbar, worauf genau er warten muss ein paar Tage vor Weihnachten, kurz vor Feierabend. In seinem Gesicht lese ich ein wenig Furcht. Aber vielleicht bilde ich mir das nur ein, weil ich mich selber gerade ein wenig fürchte vor Krankheit. Ich stehe in einem gewissen Abstand zu ihm und sehe den alten Herrn von der Seite. Er selbst sieht ein wenig ins Leere.
„Ich habe doch jetzt Schmerzen!“
Dann aber, nach einer ziemlich langen Weile, kommt Bewegung in die Dinge. Der alte Herr wird mit seinem Namen aufgerufen, geht noch einen weiteren Schritt zur Dame am Empfang und wird dann laut angesprochen. Die Frau sagt zu ihm: „Sie müssen mit diesem Rezept hier in die Apotheke gehen, da bekommen sie dann das Mittel.“ Der alte Herr schaut etwas verstört und sagt dann: „Aber ich habe doch jetzt Schmerzen.“
Liebe kennt mehr als Vorschriften
Nun wandert die Verstörung auf die andere Seite des Empfangs. Die Dame schaut unsicher. Offenbar gibt es die Vorschrift, dass in der Praxis keine Medikamente ausgegeben werden. Die Dame schaut nach links und nach rechts, ob sie wohl jemand beobachtet. Dann greift sie in eine Schublade und gibt dem alten Herrn, sozusagen unter der Hand, einige Tabletten. Sein Gesicht leuchtet ein wenig. So geht Liebe, die Gott froh macht, denke ich. Liebe kennt immer noch ein bisschen mehr als nur die Vorschrift.
