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Die kleine Osterkerze
Bild: Rolf_Oeser

Die kleine Osterkerze

Rolf Müller
Ein Beitrag von Rolf Müller, Pastoralreferent Pfarrei Mariä Himmelfahrt, Frankfurt
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In einer Ecke meines großen Schreibtischs steht sie noch: die kleine Osterkerze vom letzten Ostern im April. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich sie in der Osternacht an der großen Osterkerze in unserer Kirche entzündet habe. Danach habe ich sie auf dem Schreibtisch abgestellt, und seitdem steht sie da: zur Hälfte abgebrannt, der Sommer hat sie leicht verbogen, und etwas Staub hat sie auch schon angesetzt. „Was macht man mit so einer angebrannten Osterkerze?”, habe ich mich oft gefragt. Besonders, wenn auf ihr das aktuelle Jahr 2022 drauf steht. Ist sie nicht schon bald Schnee von gestern?

Mir ist es ganz wichtig, noch im Advent sein Grab zu besuchen

Aber dann ist etwas passiert, das mir die Antwort auf diese Frage wie von selbst gegeben hat. Im Sommer ist mein Bruder gestorben. Das war und ist traurig und schmerzhaft für meine ganze Familie und mich. Mir ist es ganz wichtig, noch in diesem Advent sein Grab zu besuchen. Es liegt weit weg von meiner Heimat und bisher bin ich noch nicht dazu gekommen. Ich weiß: Es ist eine alte Tradition, im November an die Gräber der Verstorbenen zu gehen und ein Licht aufzustellen. Das will ich jetzt bald noch tun! Denn ich merke: Am Grab meines Bruders ist der richtige Platz für meine kleine Osterkerze.

Die Osterkerze bedeutet: Das Leben hat das letzte Wort

Eine Osterkerze ist für mich mehr als nur ein normales Grablicht. Sie erinnert mich an die Auferstehung Jesu und meine Lieblingsbotschaft aus dem Christentum: Das Leben hat das letzte Wort, nicht der Tod.

Die kleine Kerze macht meine dunkle Trauer heller

Wenn ich also die kleine Osterkerze am Grab aufstelle, ist das ein echter Trost für mich. Sie sagt mir: Ich vertraue darauf, dass mein Bruder jetzt bei Gott neues Leben hat. So macht diese kleine Kerze meine oft dunkle Trauer ein wenig heller. Und ich merke daran: Osterkerzen sind für das ganze Jahr gut!

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