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Die Ernte ist eingefahren
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Die Ernte ist eingefahren

Jochen Straub
Ein Beitrag von Jochen Straub, Seelsorge für Menschen mit Behinderung im Bistum Limburg
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Ich liebe Herbstspaziergänge. Ich genieße die Herbstsonne, die warm auf meiner Haut zu spüren ist. Ich genieße den Wind, der mir die Haare zerzaust. Zum Glück habe ich noch eine ganze Menge Haare auf meinem Kopf… Ich liebe den Herbstduft, und ich liebe es, wenn meine Frau an meiner Seite mitgeht. Bei unseren Herbstspaziergängen erleben wir oft Erstaunliches.

Gut, wenn am Ende meines Lebens, die Ernte eingefahren ist

Ein Erlebnis vom letzten Jahr ist mir bis heute in Erinnerung. Wir sind an einem Bauernhof vorbeigegangen, der außerhalb unseres Wohnortes liegt. Die Maisernte war in vollem Gange. Traktor um Traktor rauschte heran und entlud Berge von Mais. Sie werden in dem Bauernhof in Energie umgewandelt: Der Landwirt verdient einen Teil seines Einkommens mit der Gewinnung von Strom aus Mais. Im letzten Jahr war die Ernte gut. Zufrieden stand er vor dem großen Berg und sagte: „Die Ernte ist eingefahren.“ Dann wurde er nachdenklich und erzählte uns von seinem Vater. Noch vor einem Jahr hatte er hochbetagt fast an der gleichen Stelle vor dem großen Berg mit Mais gesessen. Und er hat genau diesen Satz gesagt: „Die Ernte ist eingefahren“ und dabei ganz zufrieden geschaut. Am nächsten Tag war der Vater gestorben. Der Bauer wurde still, guckte uns an und dann strahlte er. Er sagte: „In diesen Tagen kann ich das Gefühl meines Vaters nachempfinden: Es ist eine gute Ernte, und es ist schön, als Landwirt zu sehen, wie die Ernte eingefahren wird. Und wenn ich das am Ende meines Lebens sagen kann, so soll es gut sein.“

Bis heute berührt mich dieser Satz

Berührt haben wir uns voneinander verabschiedet, und bis heute muss ich an diesen Satz denken, wenn ich an dem Bauernhof im Herbst vorbeigehe. Die Ernte ist eingefahren.

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