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Den Anderen anders sein lassen
Bild: hosny_salah_pixabay

Den Anderen anders sein lassen

Dr. Barbara Brüning
Ein Beitrag von Dr. Barbara Brüning, Katholische Journalistin, Autorin und Systemische Familienberaterin, Frankfurt
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Ein Satz, der mir ganz häufig begegnet, ist: „Ich fühle mich nicht gesehen.“ Oder auch: „Ich fühle mich nicht gehört.“ Neulich hat in der Beratung eine Tochter das zu mir gesagt. Sie ist 32. Sie war mit ihrer Mutter gekommen. „Meine Mutter hört mir nicht zu“, hat sie gesagt. „Und wenn ich „Nein“, sage, dann respektiert sie es nicht.“ Die Mutter ist aus allen Wolken gefallen. „Natürlich höre ich, wenn du nein sagst“, hat sie geantwortet. „Aber manchmal meinst du das doch gar nicht so.“ Von außen war das vollkommen klar. Sie respektiert das Nein nicht. Aber sie fühlt sich ihrer Tochter so nah, dass sie glaubt, es besser zu wissen als diese.

Nicht so gesehen werden, wie man ist, macht agressiv

Heute wird in Stuttgart eine Ausstellung mit dem Titel „Eyes of Gaza“ eröffnet über Gaza. Eine Stadt in einer Region, über die schon lange Fremde bestimmen. Mit dieser Ausstellung soll gezeigt werden, wie die Menschen dort sich selbst sehen. Und das ist ganz anders, als wir es in den Bildern in den Nachrichten sehen. Nicht so gesehen werden, wie man ist, das macht aggressiv. Das führt zu verzweifelten Versuchen, auf sich aufmerksam zu machen. Zu Aggression. Auch die Tochter, die mit ihrer Mutter zu mir gekommen ist, war sehr aggressiv gegen ihre Mutter.

Jesus hat einen besonderen Blick auf die Menschen gehabt

Jemanden so zu sehen, wie er ist, und ihn auch so zu lassen. Das ist die Wurzel für echten Frieden untereinander. Mich beeindruckt zum Beispiel, dass Jesus einen besonderen Blick auch auf Menschen gehabt hat, die sonst keiner wahrgenommen hat. Trotzdem hat er nicht alle geheilt. Er hat nur die geheilt, die ihn darum gebeten haben. Er hat vorher gefragt: „Was willst du, dass ich dir tue?“ (Lukas 18,41) Die anderen hat er so gelassen, wie sie waren. Ich glaube: Das ist die Voraussetzung für die Liebe.

Was willst du, dass ich dir tue?

Und diese Haltung auf andere Länder zu übertragen, ist die Voraussetzung für Frieden. Nicht alle wollen so leben wie wir. Aber alle wollen über sich selbst bestimmen. Ich jedenfalls will versuchen, das zu respektieren. Auch wenn ich es manchmal nicht verstehe.

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