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Gegensätze nebeneinander stehen lassen
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Gegensätze nebeneinander stehen lassen

Dr. Barbara Brüning
Ein Beitrag von Dr. Barbara Brüning, Katholische Journalistin, Autorin und Systemische Familienberaterin, Frankfurt
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Gerade finde ich es sehr anstrengend: Menschen, die sich eigentlich nahestehen, kriegen sich in die Haare und streiten sehr emotional. Ich denke da an das Thema Krieg und seine Auswirkungen. Da gibt es eine Familie, in der hat die Oma noch den Zweiten Weltkrieg erlebt. Sie weiß, was es heißt, wenn die eigene Wohnung in Schutt und Asche gelegt wird. Da gibt es ihre Tochter, die seit Jahren in der Friedensbewegung aktiv ist. Und vielleicht noch einen Enkel, der wieder einen anderen Blick auf die aktuelle Situation in der Ukraine hat.

Über Politik und Religion soll man nicht streiten

Manchmal denke ich da an einen Spruch meines Vaters, der mir immer ans Herz gelegt hat: Über Politik und Religion soll man nicht streiten. Unterschiedliche Meinungen führen notwendig zu Streit, hat er gedacht. Denn es kann ja nur eine Wahrheit geben. Das stimmt. Und gleichzeitig gibt es verschiedene Standpunkte und verschiedene Werte.

Eine Wahrheit – mehrere Perspektiven

Mir hilft ein kleiner sprachlicher Trick aus der gewaltfreien Kommunikation, um Dinge nebeneinander stehen zu lassen. Auch wenn sie sich widersprechen. Anstatt „aber“ verwende ich „und gleichzeitig“: Man sollte nicht töten und gleichzeitig kann es manchmal notwendig sein. Man sollte Krieg um jeden Preis vermeiden und gleichzeitig kommt man manchmal nicht drum herum. Das heißt nicht, dass es mehrere Wahrheiten gibt, nur mehrere Perspektiven.

Fest verwurzelt und gleichzeitig auf dem Weg zu Reformen

Ich entdecke das schon in der Bibel: Jesus war ein guter Jude, fest verwurzelt im jüdischen Glauben und Gesetz. Und gleichzeitig war er schon auf dem Weg zu einer Reform. Er war der Sohn von Josef und Maria, und gleichzeitig hat er gesagt: Mein Vater ist im Himmel.

Das nimmt den Druck, sich sofort entscheiden zu müssen

Für mich nimmt das den Druck, sofort entscheiden zu müssen. Und dadurch öffnet sich die Tür zu fruchtbaren und erfrischenden Gesprächen über unterschiedliche Standpunkte.

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