Die andere Wange hinhalten?
Manchmal frage ich mich: Ist das Christentum eigentlich eine kraftlose Religion? Ich denke daran, dass ich meinem Gegenüber nicht weh tun soll, selbst wenn er mich auf eine Wange geschlagen hat. Dann soll ich die andere hinhalten. Ich soll auch auf die Menschen, die eine Sünde begangen haben, keinen Stein werfen. Nun gut, das würde ich wohl sowieso nicht tun. Aber ich könnte ja schon sozusagen einen symbolischen Stein werfen und mich sehr aufregen und laut werden, wenn jemand Unrecht getan hat. Und das, obwohl ich weiß, dass ich ja auch nicht alles richtig mache. Und in einem Krieg, in dem ein Land unrechtmäßig ein anderes überfällt? Können wir als Christen da überhaupt etwas tun?
Doch diese sanfte Kraft dringt durch alle Lücken
Da möchte man ja schon auch kraftvoll für das Gute eintreten. Dann aber denke ich mir: Es kann ja gar nicht sein, dass diese Religion keine Kraft hat. Wie sonst, hätte sie zur Weltreligion werden können? Obwohl ihr Gründer ermordet wurde, noch bevor es irgendwelche Institutionen gegeben hat. Ich muss an die Kraft von Wasser denken, die langsam aber stetig einen Stein formen kann. Es ist eine sanfte Kraft, die dafür in alle Lücken dringt. Ähnlich, wie sich wohl ein Grashalm seinen Weg durch Asphalt bahnt. Immer auf der Suche nach einer kleinen Lücke.
Menschen haben sich anrühren lassen von diesem sanften Glauben
So hat das Christentum vermutlich in jeder verkrusteten Struktur eine Schwachstelle gefunden: mindestens einen Menschen, der sich hat anrühren lassen, von diesem sanften Glauben. Der, wie man heute sagt, in Resonanz gegangen ist. Ins Schwingen gekommen ist und wieder andere angesteckt oder fasziniert hat.
Dieser Glaube kann auch machtvolle Menschen bewegen
Was das für einen Krieg wie den in der Ukraine bedeutet? Für mich heißt das: Es ist wichtig, die Menschen zu stärken, die diesen Angriffskrieg nicht unterstützen. Weiter reden, aufklären und zeigen, was wahr ist. Ja denke ich mir: Dieser Glaube kann Menschen – auch machtvolle und starke Menschen - in seinen Bann ziehen. Ganz ohne Gewalt. Durch berührende und bewegende Geschichten. So wie sie in der Bibel stehen.
Sich einsetzen für andere, um sie jetzt zu retten
Aber das ist eine Veränderung, die sich über viele Jahre hinzieht. Währenddessen können viele Menschen sterben. Ich glaube: sein Leben einzusetzen, um andere zu retten, ist keine Sünde.