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Die Gottesmutter und die Erdbeeren
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Die Gottesmutter und die Erdbeeren

Judith Vonderau
Ein Beitrag von Judith Vonderau, Katholische Autorin bei "kirche im hr", Bad Orb
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(Sprecher: Tobias Stübing, Redakteur / Bistum Fulda)

Für die Kirche ist der Mai ein besonderer Monat – es ist der Marienmonat. Von Maria gibt es unzählige unterschiedliche Darstellungen: Mal ist Maria mit dem Jesuskind im Arm abgebildet, mal steht sie unter dem Kreuz. Mal hat sie einen Heiligenschein, mal breitet sie schützend ihren Mantel über den Menschen aus. Die meisten Darstellungen sind recht nachvollziehbar – eine jedoch hat mich sehr irritiert: Maria sitzt inmitten von Erdbeerpflanzen.

Von der Jungfrau und der Mutter und der Blüte und der Frucht

Maria und die Erdbeeren scheinen auf den ersten Blick überhaupt nichts miteinander zu tun zu haben. Und doch gibt es ihn und er ist auch durchaus logisch. Denn die Erdbeere war in früheren Zeiten die einzige Pflanze, von der bekannt war, dass sie gleichzeitig blüht und Früchte trägt. Normalerweise und scheinbar naturgemäß muss eine Pflanze zuerst blühen. Und erst, wenn sie bestäubt wurde, kann sie Früchte bilden. Die Erdbeere kann da offensichtlich mehr: Früchte ohne Bestäubung – wie soll das gehen?

Und genau an dieser Stelle kommt Maria ins Spiel, die für die Erdbeere steht: Sie ist gleichzeitig Jungfrau und Mutter – also Blüte und Frucht. Hier kommen zwei scheinbare Gegensätze zusammen, die eigentlich gar nicht gleichzeitig existieren dürften. Und doch gibt es sie. Mit dem Bild von Maria inmitten der Erdbeerpflanzen soll genau das ausgedrückt werden: Es kann Dinge geben, die nach unserer Logik eigentlich gar nicht existieren können. Maria kann ein Kind haben und gleichzeitig Jungfrau sein.

Für mich geht es bei den Erdbeerpflanzen nicht nur um Maria. Das Bild kann mir viel mehr sagen. Es zeigt mir, dass die Dinge nicht immer das sind, wofür wir sie halten. Die Dinge können anders sein, sogar total verrückt und scheinbar das Gegenteil von dem, was unserer Logik und unserem Verstand entspricht.

Und noch etwas sagen mir die Erdbeerpflanzen: Die Welt ist nicht so leicht und auf den ersten Blick zu verstehen. Wenn wir glauben, wir wüssten schon alles, verbauen wir uns den zweiten Blick. Dann sehen wir zwar die Erdbeerpflanze, aber uns fällt nicht auf, dass die Blüten zusammen mit den Früchten an ihr hängen.

Wenn Sie das nächste Mal Erdbeeren essen, dann ist das eine Einladung an Sie, genauer hinzuschauen und sich zu fragen, wie die Dinge wirklich sind.

 

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