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Nicht vergessen
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Nicht vergessen

Rolf Müller
Ein Beitrag von Rolf Müller, Pastoralreferent Pfarrei Mariä Himmelfahrt, Frankfurt
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(Beitrag zur „Woche für das Leben“ in der Katholischen Kirche)

Die Demenz meiner Großtante hat ganz klein angefangen. Zuerst war sie einfach nur vergesslich, aber es hat nicht lange gedauert, bis sie nicht mehr wusste, wer vor ihr stand, welcher Tag es war, was sie in ihrem Leben schon alles erlebt hatte und wer sie überhaupt war. Ich erinnere mich noch gut daran, wie erschrocken ich darüber gewesen bin. Eine Frau, die jedes wichtige Datum ihres Lebens immer „aus dem FF“ sagen konnte, war innerhalb eines Jahres stumm geworden.

"Bin ich dann noch ich selbst"?

Schon damals habe ich mich gefragt: Was bleibt von einem Leben, wenn einfach alles vergessen ist? Wenn all die Ereignisse, die mich geprägt haben, nicht mehr da sind – die Menschen, die mich begleitet haben und all die Orte, die mir so wichtig sind? Bin ich dann überhaupt noch ich selbst?

Ich bin  nicht verloren...

Das macht mich traurig, aber ein Wort aus der Bibel tröstet mich bei all diesen schwierigen Gedanken. Im Alten Testament im Buch Jesaja spricht Gott über das Vergessen. Er sagt: „Kann denn eine Frau ihr Kind vergessen, / ohne Erbarmen gegenüber ihrem leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergisst: / Ich vergesse dich nicht. Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände.“ (Jes 49, 15-16) Das heißt doch: Gott wird mich nicht vergessen, egal was auch passiert. Ich darf darauf hoffen, dass ich mit meinen Erinnerungen und Erlebnissen ganz fest in Gottes Händen eingeschrieben bin. Ich bin nicht verloren und ich verliere auch nicht meine Würde, wenn ich einmal alles um mich herum und auch mich selbst vergessen sollte.

Bei Gott gut aufgehoben

Ich denke oft an dieses Bibelwort, wenn ich auf dem Friedhof vor dem Grab meiner Großtante stehe. Ich vertraue darauf, dass sie bei Gott unvergessen ist. Und ganz leise sage ich ihr dann oft: „Bei Gott bist Du jetzt gut aufgehoben.“

 

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