Die Kunst des Verzeihens
Moderator/in:Heute wird weltweit der „Tag des Verzeihens“ begangen. Also: Ein Tag, an dem es darum geht, sich mal zu fragen: „Gibt es Menschen, denen ich etwas total übelnehme? Oder: Habe ich selbst jemanden verletzt? Und: Wie werde ich diese Belastung los?“
Fabian Vogt von der Evangelischen Kirche: Was sagst du denn als Pfarrer zum „Tag des Verzeihens“? Brauchen wir so einen Tag?
Auf jeden Fall. Ich denke beim „Tag des Verzeihens“ als erstes an Jens Spahn, der zu Beginn der Pandemie als Gesundheitsminister gesagt hat: „Wir werden einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen.“ Und ich meine: Genauso ist es gekommen!
Ich kenne so viele Leute, die sich wegen der Corona-Maßnahmen zerstritten haben, dass wir so einen Tag des Verzeihens dringend brauchen.
Wichtig finde ich dabei: Verzeihen hebelt den Mechanismus von „Wer hat Recht?“ aus. Weil es oft gar nicht darum geht, wer Recht hat, sondern darum, dass wir wieder Freunde sein können. Dass wir die Last loswerden, die ein Streit auf uns geladen hat. Anders ausgedrückt: Wer verzeihen kann, dem wird leichter ums Herz.
Und welche Rolle spielt das Verzeihen im christlichen Glauben?
Na, ich würde sagen: Verzeihen ist Gottes zweiter Vorname. Das heißt: Ganz gleich, was man von Gott oder vom Glauben hält: Der Gedanke, dass wir alle Fehler machen und dass es erleichternd ist, wenn ich weiß „Da ist einer, der mir vergeben will und kann“ – dieser Gedanke ist den Christen schon seit 2000 Jahren wichtig.
Dahinter steckt die Erkenntnis: Niemand ist perfekt. Jeder macht Fehler. Ein „Tag des Verzeihens“ hilft uns, die dadurch entstandenen Verletzungen hinter uns zu lassen.