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Das Jesuskind mit dem blauen Gesicht
Bild: Pixabay

Das Jesuskind mit dem blauen Gesicht

Dr. Paul Lang
Ein Beitrag von Dr. Paul Lang, Diakon und Lehrer für Latein, Musik und Religion in Amöneburg
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Vor vielen Jahren habe ich die Künstlerin Teresa Stankiewicz in Österreich kennengelernt. Eher zufällig eigentlich. Sie hat dort die kleine Kirche eines Bauernhofs gestaltet, der schon lange als kirchliches Bildungshaus genutzt wird. Ihre Art mit großen Flächen, warmen Farben und auf ein Minimum reduzierten Figuren zu arbeiten, hat mich damals sehr angesprochen. Und das ist auch heute noch so.

Etliche Jahre später bekommt die Krakauer Künstlerin den Auftrag die Kapelle in unserer Schule, einem großen kirchlichen Gymnasium mitten in Hessen zu gestalten. Alle sind gespannt und neugierig, als sie zum ersten Mal den Ort besucht. Welches Konzept wird sie vorschlagen? Zur allgemeinen Verblüffung hat sie offenbar keines. "Ich muss erst die Menschen erleben, die dort sind", begründet sie das bei ihrem ersten Aufenthalt. Sie spricht mit Schülern, erkundet den Ort, schaut sich den Raum an.

Ein dunkelrotes Triptychon

Erst etliche Wochen später kommt sie ein zweites Mal. Diesmal hat sie Entwürfe und Ideen und ihr Malwerkzeug dabei. Sie geht ans Werk. Einen Flügelaltar, ein Triptychon, findet sie passend. Der Schreiner liefert die passenden Hölzer und erstellt nach ihren Vorgaben drei Flügel Ein warmes dunkles Rot wird seine dominierende Farbe, als Teresa beginnt.

"Kinder, von 10 und 11 Jahren, nutzen diese Kapelle vor allem; sie verstehen so besser, dass Gott die Liebe ist", begründet sie die Farbwahl. Beim Fortgang der Arbeiten vor Ort lässt sie sich nicht allzu gern über die Schulter schauen. Zielstrebig füllen sich die drei hölzernen Tafeln mit Darstellungen. "Für Kinder ist Weihnachten ganz wichtig", erklärt sie als nächstes. Deswegen muss ein Flügel Weihnachten zeigen. Starke, warme Farben, die Figuren beschränkt auf das Allernötigste. Maria, der Stern von Bethlehem, Jesus als Kind in Windeln.

Ein blaues Gesicht?

Als der Flügel fertig ist, sind alle ziemlich verunsichert. "Das Jesus-Kind, das Du gemalt hast, hat ein blaues Gesicht?!"  "Ja", sagt sie gelassen. "Du verstehst das vielleicht nicht. Aber frag mal Kinder." Das habe ich seither oft gemacht. Zuletzt Ende November, bei einem Tag der Offenen Tür. "Was ist blau?" Fast alle Kinder antworten: "Der Himmel." Blau ist der Himmel. Im Gesicht Jesu spiegelt sich der Himmel.

Zugegeben: Eine ungewöhnliche Farbwahl. Aber auch eine geniale zugleich, finde ich. Das macht jede Erläuterung überflüssig: Im Kind in der Krippe wird der Himmel sichtbar. Wer einem solchen Kind ins Gesicht schaut, der kann gar nicht anders als auch ein bisschen Spiegel des Himmels zu werden.

Der Himmel ist ganz nah

Das geht mir, seit wir dieses Kunstwerk haben, oft durch den Kopf. Eine stille, aber nachdrückliche Predigt, die uns die Künstlerin Teresa Stankiewicz seit inzwischen vielen Jahren hält. "Der Himmel beginnt in dir", hat Anselm Grün einmal ein Büchlein überschrieben. Der Himmel ist ganz nah. Jedes Gesicht kann ihn widerspiegeln. Anderen ein Lächeln schenken, Respekt zeigen und Wertschätzung. Eigentlich gar nicht schwer.

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