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Wie viele Sklaven haben Sie?
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Wie viele Sklaven haben Sie?

Dr. Annette Wiesheu
Ein Beitrag von Dr. Annette Wiesheu, Theologische Referentin des Bischofs von Mainz
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Wie viele Sklaven haben Sie? – Was für eine Frage! Sklaverei kennen die meisten Menschen aus dem Geschichtsunterricht: aus der Antike, als es selbstverständlich war, dass ein großer Teil der Menschen in Unfreiheit lebte und arbeitete. Oder auch aus der Geschichte der Nordamerikas. Fast vier Jahrhunderte lang wurden aus Afrika gewaltsam Menschen dorthin verschleppt, verkauft und von ihren „Besitzern“ in Unfreiheit gehalten und zur Arbeit gezwungen.

Es gehört nicht der Vergangenheit an

Heute ist der Welttag zur Abschaffung der Sklaverei der Vereinten Nationen, und er erinnert daran: Sklaverei gehört nicht der Vergangenheit an. Die Formen sind heute andere. Zwar gibt es den rechtlichen Besitz an einem Menschen nicht mehr, aber Zwangsarbeit und ungerechte Arbeitsbedingungen, sexuelle Ausbeutung und Zwangsprostitution, Kinderarbeit sind moderne Formen der Sklaverei.

„Eine Welt – keine Sklaverei“: Unter diesem Motto prangert das katholische Hilfswerk missio diese ungerechten Arbeits- und Lebensbedingungen an. Und weist insbesondere darauf hin: Moderne Sklaverei wird auch durch unseren Konsum begünstigt. An vielen Orten, wo Produkte für den westlichen Konsum hergestellt werden, arbeiten Menschen unter  sklavereiähnlichen Bedingungen. Zum Beispiel in den Textil- oder Spielzeugfabriken Asiens, auf Plantagen in Westafrika, in den Gold- und Coltanminen im Kongo.

Sie werden nicht nur ausgebeutet...

Wie viele Sklaven haben Sie? Die Frage hat deswegen durchaus ihren Sinn. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Evi Hartmann schreibt dazu: „Wenn Sie Kleidung tragen, Nahrung zu sich nehmen, ein Auto fahren oder ein Smartphone haben, arbeiten derzeit ungefähr 60 Sklaven für Sie“. Diese Aussage hat mich schockiert und zeigt mir schonungslos: Das hat auch etwas mit mir zu tun.

Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen: Auch durch die Fußball-WM  in Katar sind sie jetzt wieder besonders in die öffentliche Diskussion geraten – und das ist gut! Das Hilfswerk missio richtet den Blick auf die Arbeitsmigrantinnen in Katar; das sind Frauen, meist von den Philippinen, die als Bedienstete in Privathaushalten  arbeiten. Sie werden nicht nur ausgebeutet; sondern oft auch Opfer von Vergewaltigungen und sexueller Gewalt. Und sie haben dann keine rechtliche Handhabe, denn im Falle einer Anzeige ihrer Peiniger riskieren sie, dass sie selbst wegen „Verstößen gegen die Sittlichkeit“ angeklagt und verurteilt werden. Mit der Petition „Frauen schützen in Katar“ fordert missio Bundesaußenministerin Baerbock auf, gegen diese diskriminierende Rechtsprechung aktiv zu werden. https://www.missio-hilft.de/mitmachen/aktion-schutzengel/moderne-sklaverei/katar/

Es ist mir nicht egal

60 Sklaven, die für mich arbeiten?! Das will ich nicht hinnehmen – und es gibt Möglichkeiten, etwas zu tun: Ich kann diese Petition zu unterzeichnen, ich kann Projekte von missio oder anderen Hilfsorganisationen unterstützen, die sich für  moderne Sklaven  einsetzen. Ich kann Initiativen unterstützen, die ein wirksames EU-Lieferkettengesetz fordern. Und  mit dem Kauf fair gehandelter Produkte zeige ich: Es ist mir nicht egal, wer für mich arbeitet. Das sind kleine Schritte, aber vielleicht ein Anfang, dass Sklaverei wirklich einmal der Vergangenheit angehört.

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