Beitrag anhören:
Radfahrer und Autofahrer
GettyImages / mel-nik

Radfahrer und Autofahrer

Ein Beitrag von Mirjam Jekel, Evangelische Theologin, Rüsselsheim
Beitrag anhören:

Wann immer ich kann, fahre ich Fahrrad. Für die kurzen Strecken in der Stadt ist es ideal, und mir macht es auch einfach Spaß. Aber leider ist es riskant, gerade im Straßenverkehr. 

Einmal hat es mich erwischt. Da bin ich auf einer ruhigen Nebenstraße gefahren, als sich vor mir eine Autotür öffnete. Ich konnte nicht mehr ausweichen oder bremsen – und da flog ich schon in hohem Bogen auf die Straße.

"Dooring"

"Dooring" werden solche Unfälle genannt, nach dem englischen Wort "door" für Tür. Sie gehören zu den gefährlichsten Unfällen im Straßenverkehr – weil das Risiko für Kopfverletzungen hoch ist. 

Ich bin damals mit Prellungen und Schürfwunden davongekommen. Aber seitdem bin ich vorsichtig. Vor dem Unfall bin ich immer möglichst weit rechts auf der Straße gefahren, damit vorbeifahrende Autos neben mir mehr Platz haben.

Aber jetzt beachte ich die Sicherheitsregel: Immer so viel Abstand zu parkenden Autos halten, dass eine plötzlich geöffnete Tür mich nicht erwischt. 

Manche pöbeln deswegen

Das ärgert manche Autofahrer. Sie finden, ich würde zu viel Platz beanspruchen. Manche pöbeln mich deshalb an.

Am liebsten würde ich dann anhalten und ihnen die Sache erklären. Ich vermute, die meisten Autofahrer kennen gar nicht das Risiko, weil sie selbst selten mit dem Fahrrad unterwegs sind. 

Erst Schreck, dann Wut

Allerdings: Auch Radfahrer sind keine Heiligen. Ein Bekannter hätte einmal beinah einen Radfahrer angefahren. Der Radler fuhr bei Rot über die Ampel – ohne zu schauen, ob ein Auto kommt.

Mein Bekannter konnte gerade noch bremsen. Der Schreck saß tief – und wurde zu Wut über den Radfahrer.

Paradebeispiel

So ärgern sich beide Gruppen übereinander. Ein Paradebeispiel dafür, was passiert, wenn sich zwei Gruppen gegenseitig verurteilen.

Beide Seiten sehen nur ihre Situation, ihren begründeten Ärger – und richten über die andere Gruppe. Aber so kommt niemand weiter, im Gegenteil. Die Wut führt nur zu riskanterem Fahrverhalten und damit zu mehr Unfällen. 

Bergpredigt für den Straßenverkehr

Jesus sagt in der Bergpredigt: "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet." (Matthäus 7,1) Daran denke ich in diesem Konflikt immer wieder. Das gegenseitige Verurteilen hilft nicht weiter. Stattdessen versuche ich, Verständnis für die andere Seite zu entwickeln – und meine eigene Seite zu erklären.

Im Straßenverkehr ist dafür keine Zeit. Aber auch sonst begegnet mir das Thema immer wieder in Gesprächen oder bei Diskussionen im Internet. 

So fühlt sich das also an!

Am besten geht es natürlich, wenn man versucht, die Perspektive zu wechseln. Selbst mal mit dem Fahrrad zu fahren und zu merken: So fühlt sich das also an, wenn man zu eng überholt wird.

Und umgekehrt: So nervt mich als Autofahrerin jemand auf dem Fahrrad, weil er kein Handzeichen gibt, wohin er abbiegt.  

Vorwärts kommen

So eine Verständigung klappt nicht immer. Manche Menschen wollen einfach pöbeln und Recht behalten. Aber die meisten sind ehrlich interessiert.

Nur so, mit gegenseitigem Verständnis kommen wir gemeinsam weiter. Auf der Straße und auch sonst. 

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren