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Nebensaison
Bild: Pixabay / Michael Gaida

Nebensaison

Dr. Ursel Wicke-Reuter
Ein Beitrag von Dr. Ursel Wicke-Reuter, Evangelische Pfarrerin, Vellmar
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Unser Eiscafé hat die Saison für dieses Jahr beendet. Der Inhaber hat die hohen Glasfenster mit farbigem Papier abgeklebt. Nebenan ist der Biergarten geschlossen. Wo noch vor wenigen Wochen dichtes Gedränge war, ist es jetzt leer. Tische und Stühle der Straßencafés sind eingelagert bis zum nächsten Frühjahr. Der Betrieb ist runtergefahren. Es ist Nebensaison. 

Auch im Leben gibt es so was wie Nebensaison

Manchmal fühlt sich auch das eigene Leben an wie Nebensaison. Die Tage sind eintönig, aufregende Erlebnisse bleiben aus. Für größere Feste gibt es keinen Anlass. Die Stimmung ist mittelgut. Man hat das Gefühl, es bewegt sich nichts. 
Andererseits: Immer nur Hochsaison – das ist anstrengend. Es entspricht auch nicht der Realität. Was unsere Jahre ausmacht, ist der täglich gleichförmige Lauf. 

Die Routine des Alltags hat auch ihr Gutes

Der Normalfall des Lebens ist die Nebensaison. Und genau hier bewährt es sich. In den wiederkehrenden Aufgaben, die wir Tag für Tag erledigen. Frühstück bereiten, Kinder versorgen, im Beruf präsent sein, Wäsche waschen, Essen kochen. Das sind scheinbar glanzlose Routinen. Aber in diesen Routinen halten wir das Leben am Laufen. Den größten Teil unserer Zeit verbringen wir in der Nebensaison. Sie verdient es, dass wir sie wertschätzen und ihr freundliche Aufmerksamkeit geben. Wir verschenken etwas, wenn wir nur auf die Höhepunkte setzen, auf Auszeit, Urlaub und große Highlights.

Nicht alles ist eintönig

Nimmt man den Alltag der Nebensaison einmal unter die Lupe, dann zeigt sich: Nicht alles ist eintönig. Aber die Lupe braucht man schon, um das zu sehen. Dann fällt einem vielleicht auf, dass morgens im Radio gute Musik läuft. Es fällt einem auf: Die Kaffeepause mit der Kollegin ist eine schöne Abwechslung und schon ein kurzer Spaziergang ist erholsam. 

Im Normalen das Schöne sehen

Auch in der Nebensaison gibt es kleine Höhepunkte: Ein Konzertbesuch, Zeit für ein gutes Buch am Abend, ein Blumenstrauß für die Wohnung, ein Familienausflug am Sonntag. Morgens eine Kerze anzünden: schon dieses winzige Ritual gibt dem Tag einen festlichen Moment. Ich glaube, das ist Lebenskunst: im Normalen das Schöne zu sehen und es zu kultivieren. 

Alles hat seine Zeit

Und irgendwann kommt ja auch die nächste Hochsaison. Dann wird das Leben in den Städten wieder bunt und abwechslungsreich. Open Air Veranstaltungen und Festivals reihen sich aneinander. Man trifft sich im Café. Und vielleicht ist auch ein Urlaub drin. Alles hat seine Zeit. Nebensaison hat ihre Zeit und Hochsaison hat ihre Zeit. Jede ist wertvoll, denn es ist unsere Lebenszeit, von Gott geschenkte Zeit.
 

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