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Segen für alle
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Segen für alle

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
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„Das ist doch mal wieder typisch deutsch“, denke ich, als ich den Begriff lese: „Segensbüro“. Wir Deutsche brauchen doch wirklich für alles eine Behörde, denke ich. Und dann fühle ich mich ein bisschen ertappt. Ich als Katholikin bin ja wohl nicht in der Position, mich darüber lustig zu machen – in meiner Kirche mangelt es ja nicht gerade an Behörden und Behördenmentalität.

Aber vielleicht ist es ja gerade diese Erfahrung, die mich über den Begriff „Segens-Büro“ stolpern lässt. Es klingen unschöne Erinnerungen an: 2021 hat eine römische Behörde mitgeteilt, dass es unmöglich sei, homosexuelle Paare zu segnen. Also ein Büro, das den Segen selbstgerecht verwaltet. 

Ort der Einkehr und Begegnung

Dabei ist das Segensbüro, das in Berlin im letzten Jahr eröffnet hat, ziemlich genau das Gegenteil von Einengung und Bevormundung.

In der Berliner Genezareth-Kirche hat das kirchliche Start-up „Landebahn“ eröffnet. Unter der Leitung der evangelischen Pfarrerin Jasmin El-Manhy wurde die Kirche zu einem Ort der Einkehr und Begegnung umgestaltet. Frische Farben, ein großer Teppich und bunte Sitzkissen in alt-ehrwürdigen Kirchenmauern – das gibt es ja inzwischen öfter. Aber im Eingangsbereich hat das Segensbüro geöffnet. Das ist etwas Neues.

Auf der Suche nach Ermutigung und Ansprache

Drei evangelische Pfarrerinnen kümmern sich dort darum, dass Menschen, die einen Segen möchten, diesen auch bekommen. Gemeinsam mit den Menschen wird überlegt: Welcher Ort und welche Form ist passend für die anfragenden Menschen? Manche von ihnen wissen nicht, zu welcher Gemeinde sie gehören, erzählt Pfarrerin El-Manhy in einem Interview[1]. Manche wüssten noch nicht mal, ob sie evangelisch seien. Aber es sei ein zentrales Anliegen des christlichen Glaubens, bei allen Menschen zu sein, die nach Ermutigung und positiver Ansprache suchen, sagt sie.

Den Menschen soll es gut gehen

„Genau!“, denke ich, als ich das höre und schäme mich ein bisschen für mein Vorurteil über das Segensbüro.
Genau das ist es doch, was Jesus will: Er will Segen zu den Menschen bringen. Er verkündet es immer wieder in seinen Predigten und auch durch Heilungen: Den Menschen soll es gut gehen. Sie sollen gestärkt werden und sich gegenseitig stärken. Jesus verlangt nicht nach einem Mitgliedsausweis oder nach erfüllten Kriterien. Jesus segnet die Menschen und trägt das auch seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern auf. Seine Jüngerinnen und Jünger sollen sogar böswillige Menschen segnen. Er sagt: Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen! (Lukas 6,28).

Er erweitert damit den uralten Segensauftrag, den schon Abraham von Gott bekommen hat: „Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein.“, sagt Gott. (Gen/ 1. Mose 12,2).

Eine gute Anlaufstelle in Berlin

Die Pfarrerinnen in Berlin im Segensbüro versuchen, diesen Auftrag zu erfüllen. Sie verstehen sich als Vermittlerinnen: Sie wollen vermitteln zwischen den Menschen, die sich nach Segen sehnen, und den Angeboten der Kirche. Sie bringen Menschen miteinander in Kontakt und vermitteln Segensspenderinnen oder -spender. Für mich vermitteln sie damit auch zwischen Himmel und Erde. Sie halten die Erinnerung wach: Gott ist mit seinem Segen da ist und verteilt ihn bereitwillig an alle.

Gott braucht dafür sicher kein Büro, aber vielleicht brauchen wir Deutschen ein Büro - dann hätte Gott eine gute Anlaufstelle in Berlin eingerichtet.

 

 

 


[1]www.berliner-woche.de/neukoelln/c-kultur/der-evangelische-kirchenkreis-will-die-genezarethkirche-zu-einem-lebendigen-treffpunkt-machen_a322916 (12.09.2022)

 


 

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