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Ich bin kein Roboter
Bild: Pixabay

Ich bin kein Roboter

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
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Manchmal nervt es mich: Da habe ich mich endlich für einen Service oder eine Dienstleistung im Internet registriert, und dann muss ich noch das sogenannte „Capcha“ ausfüllen. Manchmal sind das unleserliche Zahlen- oder Buchstabenkombinationen, die ich von einem Bild in ein Textfeld abschreiben muss. Manchmal ist es aber auch ein kleines Kästchen vor dem Satz „Ich bin kein Roboter“, das ich anklicken muss, bevor ich weitermachen kann.

Ich bin ein Mensch

Diese Prozedur ist ein Sicherheitsmechanismus, damit E-Mail-Adressen nicht zu Werbezwecken missbraucht werden. „Ich bin kein Roboter“: Ich bin neulich an dem Satz hängengeblieben. Nein, ich bin kein Roboter. Ich bin ein Mensch. Ein Mensch mit Gefühlen und Bedürfnissen und mit einer begrenzten Leistungsfähigkeit.

Mir kam ein Lied von Tim Bentzko in den Sinn: „Keine Maschine“ lautet der Titel. Schon 2016 hat er davon gesungen, dass er ausbrechen möchte aus ungeschriebenen Regeln und die Welt kennenlernen möchte. Im Refrain heißt es:

Ich bin doch keine Maschine
Ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut
Und ich will leben, bis zum letzten Atemzug
Ich bin ein Mensch mit all meinen Fehlern
Meiner Wut und der Euphorie
Bin keine Maschine
Ich leb' von Luft und Fantasie

"Bis zum letzten Atemzug"

Für mich steckt da neben der Sehnsucht nach Leben auch der Respekt vor dem Menschen als Geschöpf Gottes drin. Als Christin glaube ich: Gott wollte die Menschen als Teil seiner Schöpfung haben. In der Bibel steht: Gott hat dem ersten Menschen den Lebensatem geschenkt. (1. Mose/ Genesis 2,7)

Gott hat jeden Menschen mit Luft und Fantasie beschenkt, davon bin ich überzeugt. Dieses Leben möchte ich leben „bis zum letzten Atemzug“ – darin bin ich mir mit Tim Bentzko einig. Ich denke auch, dass ich nicht perfekt bin: Manchmal bin ich aufbrausend und wütend, aber ich bin auch voller Kreativität und Liebe. So geht es wahrscheinlich vielen anderen Menschen auch.

Ich muss nicht immer funktionieren

Ich denke an die Menschen, denen es die Umstände schwer machen, als Mensch zu leben: Unmenschliche Arbeitsbedingungen zum Beispiel, die Menschen nur als Arbeitskraft sehen, nicht als Person. Aber auch Beziehungen, in denen einer den anderen unterdrückt und klein macht, verhindern das Menschsein.

Die Entwicklung von künstlicher Intelligenz und immer mehr Automatisierung in unserem Alltag machen es manchmal schwer, Menschen als Individuen mit absoluter Würde wahrzunehmen. Und auch ich selbst muss mich manchmal daran erinnern: Ich muss nicht immer funktionieren; ich habe ein Recht auf Gefühle und Bedürfnisse.

Als Mensch unter Menschen

Das Kästchen im Internet-Formular hat mich auf etwas aufmerksam gemacht: Ich begegne im Alltag manchmal Menschen, die ich nur in ihrer Funktion wahrnehme, nicht als Mensch. Ich will mich heute besonders bemühen, den Mensch im Menschen zu sehen: die Busfahrerin, den Mitarbeiter im Supermarkt und auch mich selbst. Wir sind alle Menschen. Und als Menschen hat Gott uns Leben geschenkt: Luft zum Atmen, Talente und Fantasie. Ich will mein Leben heute ganz bewusst leben – als Mensch unter Menschen.

 

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