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Das ist eine lange Geschichte…
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Das ist eine lange Geschichte…

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
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Heute sind gleich zwei Feier- bzw. Gedenktage: In vielen christlichen Konfessionen ist heute der Gedenktag des Heiligen Lukas. Und im jüdischen Festkalender steht heute das Fest „Simchat Tora“. Bei beiden Festen geht es um eine lange Geschichte.

„Simchat Tora“ ist ein Freudenfest für die Heilige Schrift der Juden. Die Tora ist für gläubige Jüdinnen und Juden von großer Bedeutung. Sie enthält die fünf Bücher Mose und damit die lange Geschichte, die von der Entstehung des jüdischen Volkes erzählt, seinem Bund mit Gott, der Besiedlung des Gelobten Landes und vor allem von den Zehn Geboten, die Mose auf dem Berg Sinai von Gott bekommen haben soll.

Weihnachten ganz anders feiern...

Im Laufe eines Jahres wird die Tora im jüdischen Gottesdienst einmal komplett gelesen. An „Simchat Tora“ werden das Ende und auch gleich wieder der Anfang der Heiligen Schrift gelesen. Auf diese Weise kommt die Lesung nie zu einem Ende. Das steht auch symbolisch dafür, dass die Geschichte Gottes mit seinem Volk nie zu Ende geht.

Wie wichtig schriftliche Überlieferung ist, wusste auch der Heilige Lukas in meiner christlichen Tradition. Der Arzt lebte im 1. Jahrhundert n. Chr. und hat die Geschichte von Jesus aus Nazareth aufgeschrieben. Ohne seine Texte würden wir Weihnachten vermutlich ganz anders feiern. Nur durch sein Evangelium kennen wir die Geschichte von Maria und Josef, dem Stall und den Hirten und Engeln.

Nur bedeutsame Ausschnitte

Es ist auch bei ihm eine lange Geschichte geworden: 24 Kapitel Leben, Lehre und Taten des Jesus aus Nazareth – bis zu seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung. Und vermutlich hat der gleiche Autor auch die Apostelgeschichte aufgeschrieben. Also die Geschichte von den ersten Christinnen und Christen und der Entstehung der christlichen Gemeinschaft.

In der katholischen Tradition werden die Bücher der Bibel im Gottesdienst nach einer bestimmten Leseordnung gelesen, die ebenfalls nie an ein Ende kommt. Allerdings werden nicht alle Schriften komplett gelesen, sondern nur besonders bedeutsame Ausschnitte.

„Lass die Wurzel dran!“

Wozu diese langatmige Vorleserei gut sein soll? Ich bin überzeugt davon: Es hat seinen Sinn, die alten Geschichten immer und immer wieder vorzulesen und sich vorlesen zu lassen. Eine Grundregel für Dialogprozesse lautet auch „Lass die Wurzel dran!“. Damit ist gemeint: Ich kann die Position eines Menschen am besten verstehen, wenn ich seine Geschichte und die Wurzeln seines Denkens kenne. Das ist eine Voraussetzung für einen gelungenen Dialog.

Der Grund für ein fröhliches Fest

Wenn ich im Gottesdienst die alten Texte wieder höre, denke ich darüber nach, wie lange die Geschichte der Menschheit und meiner Religion schon ist und wie kurz dagegen meine eigene Lebenszeit. Im Vergleich zu der langen Geschichte Gottes mit seinem Volk – dem jüdischen und dem christlichen – ist der Zeitraum, den ich selbst in Erinnerung habe, ziemlich kurz. Aber aus den vielen Erfahrungen der Generationen vor mir kann ich lernen und ihre Weisheit für mein Leben nutzen. Manchmal relativieren sich dadurch meine Sorgen und Probleme.

Und das ist wirklich ein Grund für ein fröhliches Fest. Also: Allen Jüdinnen und Juden ein fröhliches „Simchat tora“ und allen Menschen, die Lukas oder Luca heißen: einen schönen Namenstag!

 

 

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