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Alltägliche Wunder
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Alltägliche Wunder

Ein Beitrag von Mirjam Jekel, Evangelische Theologin, Rüsselsheim
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Bei einem Gottesdienst hatten wir Apfelkerne in Töpfe mit Erde gelegt. Getreu dem Satz, der Martin Luther zugeschrieben wird: "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen." Ob Luther das wirklich gesagt hat, ist unklar. Aber diese Worte und die eingepflanzten Apfelkerne sind Zeichen von Zuversicht und Vertrauen, und darum geht es ja im Gottesdienst.

Was wird aus einem Supermarkt-Apfelkern?

Doch was hinterher mit den Kernen in den Töpfen machen? Ich hatte gehört, Supermarkt-Apfelkerne keimen nur schwer und das auch noch im Haus. Ich goss den Topf einmal pflichtbewusst, dann stellte ich ihn in eine Ecke und vergaß ihn. Zwei Wochen später erst erinnerte ich mich. Ich nahm den Topf in die Hand, um die Erde wegzukippen – da sah ich es: einen kleinen, grünen Keim. Im Blumentopf hatte sich ein kleines Wunder ereignet. Ohne Gießen, ohne Pflege hatte sich entgegen aller Vernunft aus einem Apfelkorn ein kleiner Trieb gebildet.

Erst ein Blatt, dann Stiel - er wächst!

Sofort stellte ich den Topf näher ans Licht und fing an, ihn vorsichtig zu gießen. Voller Begeisterung beobachteten wir, wie der Keim wuchs. Erst ein Blatt, dann streckte er sich, entwickelte einen kleinen Stamm – wenn man das schon so nennen darf, es war doch noch so dünn wie ein Stiel – mehr Blätter… tatsächlich, hier wuchs ein kleiner Apfelbaum! Wenn Freunde zu Besuch kamen, zeigten wir ihnen unser kleines Wunder. Schaut her! Der ist einfach so gewachsen!

Ich freu mich wie ein Kind

Die Begeisterung über unser kleines Apfelbäumchen hat was Kindliches. Kinder sind ja oft fasziniert, wenn man mit ihnen Samen einpflanzt und dann etwas daraus wächst. Jeden Tag laufen sie hin, um zu schauen, ob schon etwas zu sehen ist. Und wenn dann der erste grüne Trieb die Erde durchbricht – schau mal! Da wächst was!

Simple Biologie?

Die meisten Erwachsenen sind cooler. Ach, ein Keimling. Tausend Mal gesehen. Ja, klar, da wächst ein Baum draus – das weiß doch jeder. Simple Biologie. Selbstverständlich. Und sie haben ja Recht. Es keimen jeden Tag auf der Welt Milliarden von Samen. Oder Trilliarden – oder was auch immer, eine unvorstellbar große Zahl auf jeden Fall. Das ist das Natürlichste von der Welt.

What a wonderful world

Und trotzdem: Dass aus so einem kleinen Samenkorn, nur mit Hilfe von Luft, Licht, Wasser und ein paar Nährstoffen ein Baum wird, der größer werden wird als ich, in den Kinder reinklettern können – das ist doch ein Wunder. Dass es jeden Tag unzählige Male passiert, ändert daran nichts. Im Gegenteil – es zeigt nur, wie wundervoll die Welt ist.

Das kleine große Wunder

An unseren kleinen Apfelbaum haben wir uns dann doch gewöhnt. Auch die Faszination über so ein kleines Wunder ebbt irgendwann ab. Aber so ganz verschwunden ist sie nicht.

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