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Erntedank: Fest der Achtung für alles, was dem Leben dient
Bild: manfred_richterrain_pixabay

Erntedank: Fest der Achtung für alles, was dem Leben dient

Dr. Susanne Nordhofen
Ein Beitrag von Dr. Susanne Nordhofen, Ehemalige Leiterin eines katholischen Gymnasiums in Königstein/Taunus

Prachtvolle Kürbisse in Rot, Gelb und Braun, glänzende Möhrenbündel, goldene Kornähren, frische Brote und Sonnenblumen: Sie sind ein Augenschmaus. In vielen Kirchen ist jetzt der Altarraum damit geschmückt, denn Anfang Oktober wird Erntedank gefeiert.

Im unseren Supermärkten ist alles im Überfluss verfügbar

Manchmal habe ich den Eindruck: Dieses Fest ist aus einem anderen Jahrhundert übrig geblieben. Irgendwie anachronistisch. Denn im Supermarkt ist ja alles immer verfügbar und nicht nur das, was auf den Feldern gerade geerntet wird. Wenn ich einkaufe, habe ich eine riesige Auswahl. Erst, wenn einmal Sonnenblumenöl knapp wird, wird mir bewusst, dass nicht alles selbstverständlich ist.

Wenn Lebensmittel weggeschüttet werden, tut mir das weh

Daher hat mich ein Video besonders verstört, das ich neulich gesehen habe. Da schütteten protestierende Veganer im Londoner Kaufhaus Harrods literweise frische Milch auf dem Fußboden aus. Wenn Lebensmittel weggeschüttet werden, tut mir das weh. Übrigens auch, wenn bei uns in Europa literweise und tonnenweise Lebensmittel auf den Feldern, in Supermärkten und in Privathaushalten weggeworfen werden. Auf der anderen Seite der Weltkugel können viele ausgemergelte Mütter ihre Babys nicht einmal mehr stillen. Und Kinder und Erwachsene verhungern, weil ihnen das täglich Brot fehlt. Wie groß war meine Erleichterung, als die Ukraine ihre Millionen Tonnen Weizen aus dem letzten Jahr endlich verschiffen konnte. Es wartet schon die neue Ernte.

Arme oder Fremde durften die Reste von den abgeernteten Feldern sammeln

Die Bibel erzählt eine liebenswürdige Erntegeschichte. Sie steht im Buch Ruth. Ruth ist eine von zwei Schwiegertöchtern Noomis. Die Jüdin Noomi zieht mit ihrem Mann ins grüne Tal von Moab. Ihre beiden Söhne heiraten dort. Als Noomis Mann und ihre Söhne sterben, sind alle drei Frauen plötzlich Witwen und müssen sehen, wie sie zurechtkommen. Noomi beschließt, in ihre alte Heimat zurückzukehren. Sie will ihren Schwiegertöchtern Ruth und Orpa aber eine neue Zukunft ermöglichen und schickt sie zu ihren Familien zurück. Ruth will aber bei ihr bleiben. Sie teilt mit ihr ein armseliges Schicksal in Noomis Heimatdorf. Damals gab es die Sitte, dass die Armen oder Fremden nach dem Abernten des Getreides noch einmal den Schnittern nachgehen durften, um liegen gebliebene Ähren zu sammeln und sich davon wenigstens ein wenig Brot zu backen - damals wie heute elementarstes Nahrungsmittel. Ruth ist sorgfältig beim Auflesen, keine Ähre soll verlorengehen.

Ihm fällt auf, wie sorgfältig Ruth mit den Früchten der Ernte umgeht

Sie fällt dem Besitzer des Feldes wegen ihrer Sorgfalt auf. Er gestattet Ruth Ähren aufzusammeln und befiehlt seinen Knechten sogar, ein bisschen mehr davon liegen zu lassen. Ruth darf sogar mit ihnen essen. Ruth isst gar nicht alles auf, sondern bringt ihrer Schwiegermutter noch etwas davon mit. Schließlich kommt es wie es kommen muss, Boas nimmt Ruth zur Frau und alle Sorgen um das täglich Brot haben ein Ende. Ruths Geschichte macht mir wieder bewusst, wie wichtig ein verantwortungsvoller Umgang mit den Früchten der Erde ist. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie meine Großmutter ein kleines Kreuz in ein neues Brot ritzte, bevor sie es anschnitt.

Ein kleines Kreuz ins Brot ritzen, bevor wir es anschneiden

Ruth ist für mich beispielhaft für einen achtsamen Umgang mit den Früchten der Erde und für menschliche Fürsorge und Solidarität. Sie ist übrigens die einzige Frau, die bei dem Evangelisten Matthäus in dem Stammbaum Jesu vorkommt. Sie gilt damit als eine „Urmutter“ Jesu. Auch Jesus dankte Gott, als er das Brot brach. Am Erntedankfest schließen sich die Kirchen diesem Dank an.

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