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Jede Woche ein Kurzurlaub
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Jede Woche ein Kurzurlaub

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Die Urlaubstage liegen nun schon etwas zurück, aber immer noch lebe ich von den Bildern dieser besonderen Zeit. Im Urlaub erlebe ich Dinge ganz anders. Selbst Alltäglichkeiten erscheinen in einem anderen Licht. Wahrscheinlich, weil die Muße mich aufmerksamer macht. Und ich begegne Menschen in anderen Zusammenhängen. Gerade in dieser von Krisen so erschütterten Zeit ist es wichtig, eine Auszeit zu nehmen. Denn Tapetenwechsel ist auch Wechsel der Perspektive und kann die Einstellungen zum Leben verändern.

Urlaub hat etwas mit "Erlauben" zu tun

Urlaub ist wichtig, und es ist ein eigenartiges Wort. Mit dem Laub des Urwalds hat es nichts zu tun, auch wenn die Gedanken bei der Urlaubsplanung gerne zur unberührten Natur schweifen. Das Wort Urlaub geht auf das „Erlauben“ zurück. Für diese kurze Zeit wird mir erlaubt, von der Arbeit fern zu bleiben. Es ist mir erlaubt, alles das zu machen, für das mir sonst die Zeit fehlt. Ich darf für ein paar Tage oder ein paar Wochen ein anderer Mensch werden und mich neu sortieren.

Hatte Jesus auch Urlaub?

Als Jugendlicher, ich hatte damals wohl gerade großen Stress, habe ich mich gefragt, ob Jesus auch Urlaub hatte. Er ist ja nicht immer mit seinen Jüngern durch Galiläa gewandert oder nach Jerusalem gereist. Irgendwann musste er ja auch arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Heute geht die Bibelforschung davon aus, dass Jesus Bauhandwerker war, wie sein Vater, und dass er auch in diesem Beruf gearbeitet hat.[1] Wanderprediger ist er erst später geworden. Und wenn er hart gearbeitet hat, musste er sich doch auch irgendwann mal davon erholen.

Jesus suchte manchmal den Abstand von Ereignissen und auch von anderen Menschen

Urlausregelungen gab es damals nicht. Aber kleine Aus-Zeiten hat Jesus sich immer wieder genommen. In den Geschichten des Neuen Testaments ist häufig zu lesen, dass Jesus gerade nach besonderen Ereignissen den Abstand suchte. Er ging in die Wüste, um Ruhe zu finden, oder auf einen Berg. Manchmal nutzte er auch die Einsamkeit am See, um Abstand zu bekommen, Abstand von den Ereignissen und auch von den Menschen.

Der Sabbat - eine kurze Auszeit

Selbst wenn es für Jesus und seine Zeitgenossen noch keinen geregelten Urlaub gab, hatten sie doch eines ganz sicher: so eine Art Mini-Urlaub, eine kurze Aus-Zeit, und zwar jede Woche einen Tag. Für Jüdinnen und Juden ist das der Sabbat, an dem nicht gearbeitet wird.

Der Sonntag - 52 Mal im Jahr ein Kurzurlaub

Im Christentum wurde daraus der Sonntag. Ein Tag in der Woche zur Erholung, eine Chance für neue Eindrücke, für anregende Begegnungen und zum Schöpfen neuer Kraft. 52 Mal im Jahr einen Tag, das ergibt zusammengerechnet immerhin 7 ½ Wochen Aus-Zeit. Zusätzlich zu dem Urlaub, den wir sonst haben. Und da ist dann alles erlaubt, nur nicht das Arbeiten, denn sonst wäre es ja keine Aus-Zeit. 24 Stunden, in denen ich mich neu sortieren kann und ein anderer Mensch werden darf.


[1] Hierzu: J. Gnilka: Wie das Christentum entstand. Bd. 1 Jesus von Nazareth. Darmstadt 1992 S. 77.

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